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Warm ums Herz

Wie die Hauttemperatur auf den Blutdruck wirkt

Eine aktuelle Studie untersuchte den Einfluss der Hauttemperatur auf den Blutdruck und fand heraus: Je wärmer die Haut, desto niedriger der systolische Druck. Lässt sich dieser Zusammenhang auch präventiv nutzen, um die kardiovaskuläre Übersterblichkeit im Winter zu senken?

Kälte führt zur Vasokonstriktion und erhöht die Koagulabilität und Blutviskosität. Über diese Mechanismen steigt bei niedrigen Umgebungstemperaturen auch die Gefahr, an verschiedenen Erkrankungen, z.B. der Atemwege oder des Herz-Kreislauf-Systems, zu sterben. Die Thermoregulation in der Haut wiederum verändert den Gefäßwiderstand, was Blutdruckschwankungen mit sich bringt. In früheren Studien mit Teilnehmern im jüngeren bis mittleren Alter fand sich eine inverse Assoziation zwischen der kutanen Temperatur und dem Praxisblutdruck.

Das Team um Prof. Dr. Yoshiaki Tai vom Department of Epidemiology der Nara Medical University School of Medicine in Kashihara schaute sich den Zusammenhang zwischen Hauttemperatur und Blutdruckwerten nun in einem Real-Life-Setting mit 584 Erwachsenen im Durchschnittsalter von 71 Jahren an. Ein spezielles Augenmerk legten die Forscher auf die Rolle der Haut als Mediator zwischen Umgebungstemperatur und Blutdruck.

Die Studie wurde im Herbst/Winter durgeführt. Die Teilnehmer trugen 48 Stunden lang Sensoren an Hand- und Sprunggelenk sowie am Abdomen, die minütlich ihre distale und proximale Hauttemperatur erfassten. Automatische Blutdruckmessungen erfolgten alle 30 Minuten. Zur Auswertung kamen 30.711 Tages- und 17.382 Nachtwerte. Weitere Sensoren in den jeweiligen Wohnungen registrierten in Zehn-Minuten-Intervallen die Zimmertemperatur, die Außentemperatur wurde anhand meteorologischer Daten geschätzt. Zusätzlich führten die Senioren ein Aktivitätsprotokoll.

Die Analyse ergab, dass eine wärmere Haut mit einem niedrigeren Blutdruck einherging. Tagsüber bestand unabhängig von anderen Einflussfaktoren an allen Hautstellen eine signifikante inverse Assoziation (distal −4,27 mmHg, proximal −2,74 mmHg pro Standardabweichung). Signifikante Zusammenhänge zeigten sich auch in der Nacht (−2,62 mmHg bzw. −2,68 mmHg pro Standardabweichung).

Zudem diente die Haut als Vermittler zwischen Umgebungstemperatur und Blutdruck, wobei der Effekt von Tageszeit und Sensorposition abhing. Pro 1 °C wärmerer Umgebung war der Mediatoreffekt an den Extremitäten tagsüber siebenmal stärker ausgeprägt als am Bauch. Nachts war er distal und proximal gleich ausgeprägt.

Die Autoren schließen daraus, dass sich kältebedingte Blutdruckanstiege über eine Regulierung der Hauttemperatur – z.B. mit batteriebetriebener beheizter Kleidung an Armen und Beinen – verhindern lassen könnten. Die Hoffnung ist, durch derartige Maßnahmen die kardiovaskuläre Übersterblichkeit im Winter zu senken. Ob das gelingt, müssen interventionelle Studien klären.      

Quelle

Tai Y et al. Hypertension. 2022; 79: 1845–1855; doi: 10.1161/HYPERTENSIONAHA.122.19190

Kurz kommentiert

Kälteexposition ist mit einer gesteigerten kardiovaskulären Mortalität assoziiert. Man erkennt auch im Alltag, dass viele Patienten mit der Blutdruckregulation im Winter deutlich mehr Probleme haben, bei vielen sieht man einen höheren Bedarf an Medikamenten. Die Exposition gegenüber Kälte lässt sich dabei als Stressfaktor identifizieren.

In der vorliegenden Arbeit konnte sehr gut gezeigt werden, wie die Hautoberflächentemperatur den Blutdruck beeinflusst. Das ist an sich kein untypisches Phänomen, da der Körper bei geringer Hauttemperatur Energie spart und der periphere Widerstand ansteigt.

Durch die Diskussion um Temperaturabsenkungen im Winter im Rahmen der Energieknappheit bekommt dieses Thema Aktualität. Denn eine stabile Außentemperatur hat auch für die Blutdruckregulation besondere Bedeutung.

Ihr Prof. Prof. h.c. Dr. Markus van der Giet
Vorstandsvorsitzender Deutsche Hochdruckliga e.V.
Charité – Universitätsmedizin Berlin