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Für Mediziner

Offene Fragen bei der Blutdruckantwort

Was macht einen physiologischen Anstieg bei körperlicher Belastung aus?

Steigt der Blutdruck unter körperlicher Anstrengung ungewöhnlich stark an, kann dies langfristig auf ein höheres kardiovaskuläres Risiko hinweisen. Doch was genau ist ungewöhnlich? Und welche Faktoren beeinflussen den Anstieg? Eine aktuelle Studie bringt etwas Licht ins Dunkel.

Die Blutdruckantwort in Belastungstests ist als Risikomarker nur bedingt aussagekräftig. Es herrscht kein Konsens darüber, ab wann eine pathologische Reaktion vorliegt. Laut Empfehlungen spricht man ab systolischen Werten ≥ 210 mmHg (Männer) bzw. ≥ 190 mmHg (Frauen) von einer übermäßigen Blutdruckantwort. Bei gut trainierten Menschen spiegeln diese Grenzen aber nicht zwangsläufig ein erhöhtes kardiovaskuläres Risiko wider, betonen Dr. Matthew Nayor von der Boston University School of Medicine und Kollegen.

Um die kardiopulmonalen und vaskulären Komponenten der belastungsbedingten Blutdruckveränderung besser zu verstehen, werteten die Forscher die Daten von 2.858 Teilnehmern der Framingham Heart Study aus. Knapp die Hälfte von ihnen litt unter einer Hypertonie, das mittlere Alter lag bei 54 Jahren und 52 % waren Frauen.

Alle Probanden hatten sich einer Fahrradergometrie mit zweiminütlichen Blutdruckmessungen unterzogen. Als Maß für die kardiopulmonale Leistungsfähigkeit diente der maximale Sauerstoffpuls, definiert als Quotient aus maximaler Sauerstoffaufnahme (VO2max) und maximaler Herzfrequenz. Zusätzlich war die Pulswellengeschwindigkeit mittels Tonometrie in Ruhe bestimmt worden, um die Gefäßsteifigkeit abschätzen zu können.

Etwa 25 % aller Teilnehmer gelangten im Belastungstest systolisch in den kritischen Bereich. Dieser deutliche Anstieg ging jedoch nicht unbedingt mit einer geringeren Leistung einher. Im Vergleich zu denjenigen mit einem maximalen Sauerstoffpuls unter dem geschlechtsspezifischen Median hatten Personen mit höherem maximalem O2-Puls auch einen höheren durchschnittlichen Spitzenblutdruck und ein besseres Fitnesslevel (gemessen am VO2max) – trotz ähnlicher Ruhedrücke und ähnlichem kardiometabolischem Profil. Wie zu erwarten, führte eine größere Gefäßsteifigkeit ebenso zu einem höheren maximalen Blutdruck, wobei diese Assoziation bei Frauen stärker ausgeprägt war als bei Männern.

Die Zusammenhänge wurden besonders deutlich, wenn die Forscher die systolischen Werte bei bestimmten Belastungsstufen (z.B. 0 Watt, 75 Watt) berücksichtigten. Der belastungsspezifische Blutdruck korrelierte dann positiv mit der Pulswellengeschwindigkeit und negativ mit dem maximalen Sauerstoffpuls.

Den Autoren zufolge ist der Spitzenblutdruck Resultat eines komplexen Wechselspiels zwischen Gefäßsteifigkeit und kardiopulmonaler Leistung. Ein hoher maximaler Wert weise jedenfalls nicht ausschließlich auf eine schlechte vaskuläre Funktion hin, sondern könnte im Kontext eines hohen maximalen O2-Pulses vorteilhaft sein.

Quelle
Nayor M et al. Arterioscler Thromb Vasc Biol. 2023; 43: 163–173; doi: 10.1161/ATVBAHA.122.318512

Kurz kommentiert
Ein Bluthochdruck unter Belastung gilt als typische und durchaus physiologische Reaktion. Leider ist es bis heute nicht gelungen, physiologische Muster während einer definierten Belastung von pathologischen abzugrenzen. In der vorliegenden Arbeit zeigt sich, wie komplex das Zusammenspiel zwischen Gefäßelastizität und kardialer Leistungsfähigkeit im Hinblick auf die Hypertoniemechanismen zu interpretieren ist. Vor allem eine größere arterielle Gefäßsteifigkeit geht mit einer schnellen Blutdruckregulation während der Belastung einher.

Ihr Prof. Prof. h.c. Dr. Markus van der Giet
Vorstandsvorsitzender Deutsche Hochdruckliga e.V.
Charité – Universitätsmedizin Berlin