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Für Mediziner

Endorganschäden im Fokus

Wo Bluthochdruck seine Spuren hinterlässt und was das für die Prognose bedeutet

Hypertonie-vermittelte Endorganschäden spielen eine zentrale Rolle in der Bluthochdrucktherapie. Erstaunlicherweise fehlten umfangreiche bevölkerungsbasierte Daten zu deren Prävalenz und Prognose. Bis jetzt.

Sowohl für die individuelle als auch für die öffentliche Gesundheit ist es wichtig, Hypertonie-vermittelte Endorganschäden (hypertension-mediated organ damage, HMOD) genauer aufzuschlüsseln. Laut Prof. Dr. Vasan Ramachandran von der Boston University School of Medicine und Kollegen bestanden in Sachen Epidemiologie aber fundamentale Wissenslücken, die die Forscher mit einer detaillierten Auswertung von Daten der Framingham-Heart-Studie nun geschlossen haben.

7.898 Teilnehmer der Framingham-Kohorte im mittleren Alter von 51,6 Jahren unterzogen sich um die Jahrtausendwende zahlreichen Tests. Diese dienten dazu, HMOD an vier Organsystemen festzustellen: Am Herz (linksventrikuläre Hypertrophie im EKG und Echo), an den Nieren (eGFR-­Reduktion, Mikroalbuminurie), den Gefäßen (erhöhte Karotis-Femoralis-Pulswellengeschwindigkeit, erhöhte Intima-Media-Dicke der Karotis, niedriger Knöchel-Arm-Index) und dem Gehirn (Auffälligkeiten im MRT). Die Prävalenzen entsprechender Schäden wurden anhand der Bluthochdruckdefinitionen aus vier verschiedenen internationalen Leitlinien bestimmt. Für die Ermittlung des kardiovaskulären Risikos im Follow-up kamen 5.865 Patienten infrage.

Die Autoren hoben folgende Ergebnisse hervor:

  • Die Prävalenz Hypertonie-vermittelter Endorganschäden korrelierte positiv mit dem systolischen Blutdruck sowie dem Pulsdruck, jedoch negativ mit dem diastolischen Druck. Bei genauerer Betrachtung war der systolische Druck mit allen HMOD-Formen außer der eGFR-Reduktion assoziiert.
  • Die HMOD-Häufigkeit schwankte je nach Subtyp, Bluthochdruck-Cut-off, Geschlecht und Alter. Teilnehmer mit bestehender Hypertonie wiesen vorwiegend eine erhöhte Pulswellengeschwindigkeit auf (40–60 %) – ein Indikator für steifere Gefäße. Am seltensten fand sich ein verminderter Knöchel-Arm-Index (2–6 %). Zwischen einem Drittel und der Hälfte der Bluthochdruckpatienten hatten mindestens zwei Endorganschäden gleichzeitig. Bei Männern bestand signifikant öfter eine erhöhte Pulswellengeschwindigkeit sowie eine linksventrikuläre Hypertrophie im EKG als bei Frauen. Unter 50-Jährige litten insgesamt deutlich seltener unter HMOD als Ältere, EKG-Auffälligkeiten fanden sich bei ihnen allerdings häufiger.
  • Im 14,1-jährigen medianen Follow-up traten 384 kardiovaskuläre Ereignisse auf. Ein Blutdruck über dem normalen bzw. optimalen Bereich ging bei prävalentem HMOD mit einem zwei- bis dreifach erhöhten Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen im Verlauf einher. Zudem kam es innerhalb der Blutdruckkategorien, z.B. 130/85–139/89 mmHg, zu dreimal höheren kumulativen Inzidenzen, wenn initial ein Endorganschaden vorlag.

Die Forscher wiesen als Randnotiz darauf hin, dass bei bis zu einem Drittel der Teilnehmer ohne Bluthochdruck ein HMOD entdeckt wurde, wobei Ältere häufiger betroffenen waren. Der Terminus „Hypertonie-vermittelt“ passe in diesen Fällen möglicherweise nicht ganz, schreiben sie. Andererseits sei eine maskierte Hypertonie als Ursache denkbar. Weitere Studien müssen nun die Kosteneffektivität und den Nutzen eines etwaigen HMOD-Screenings klären. Bei unter 50-Jährigen scheinen die meisten Tests allerdings kaum Mehrwert zu bieten, so die Autoren.

Quelle
Ramachandran V et al. Hypertension. 2022; 79: 505–515; doi: 10.1161/HYPERTENSIONAHA.121.18502

Kurz kommentiert
Bei Patienten mit arterieller Hypertonie wird immer wieder empfohlen, nach potenziellen Endorganschäden zu suchen – auch um ihnen die Wichtigkeit einer Therapie noch näher zu bringen. Leider sind die Symptome eines Bluthochdrucks sehr gering ausgeprägt. In der Konsequenz fehlt Betroffenen das Verständnis für eine gute Medikationsadhärenz, um das Risiko für spätere kardiovaskuläre Ereignisse zu reduzieren.
Die frühe Identifikation eines Hypertonie-bedingten Endorganschadens kann deshalb sehr hilfreich sein. Bzgl. der Priorisierung schafft die vorliegende Analyse der Framingham-Studie Klarheit. Vor allem eine erhöhte Pulswellengeschwindigkeit als Endorganschaden ist ein robuster und häufig identifizierbarer Parameter. Seltener stellt man eine linksventrikuläre Hypertrophie im EKG fest. Und die Untersuchung des Knöchel-Arm-Index scheint kaum zielführend. Um einen Endorganschaden frühzeitig zu erkennen, könnte im klinischen Alltag die Messung der Pulswellengeschwindigkeit am geeignetsten sein.

Ihr Prof. Prof. h.c. Dr. Markus van der Giet
Vorstandsvorsitzender Deutsche Hochdruckliga e.V.
Charité – Universitätsmedizin Berlin