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Für Mediziner

Blutdruck bei Niereninsuffizienz kaum unter Kontrolle

Mehr als jeder Dritte leidet unter einer therapieresistenten Hypertonie.

Eine aktuelle Studie macht das Ausmaß der resistenten Hypertonie bei Patienten mit chronischer Nierenerkrankung deutlich. Sie zeigt auch: Bei den meisten Betroffenen sind die therapeutischen Optionen noch nicht ausgeschöpft.

Viele Patienten mit chronischer Niereninsuffizienz weisen eine resistente Hypertonie auf. Wie viele genau, schien bislang schwer zu beziffern. Denn je nach Leitlinie gibt es unterschiedliche Empfehlungen für den Zielblutdruck. Die ACC/AHA*-Leitlinie von 2017 beispielsweise sieht einen Wert von < 130/80 mmHg vor. Die der KDIGO** von 2021 geht noch einen Schritt weiter und definiert für chronisch Nierenkranke einen systolischen Druck unter 120 mmHg als Ziel. Ein Team um Dr. Jaejin An, Department of Research & Evaluation, Kaiser Permanente Southern California, hat die Prävalenz des therapieresistenten Bluthochdrucks nun anhand dieser beiden Richtwerte untersucht.

Die Forscher werteten insgesamt ca. 286.000 elektronische Patientenakten von zwei großen US-amerikanischen Institutionen des Gesundheitswesens (Kaiser Permanente Southern California, Veterans Health Administration) aus. Eigenschlossen waren Erwachsene, die unter einer chronischen Niereninsuffizienz (eGFR < 60 ml/min/1,73m²) und einer medikamentös behandelten Hypertonie litten. Als therapieresistent galt der Bluthochdruck, wenn der Zielwert trotz mindestens drei verschiedener Antihypertensiva nicht erreicht wurde oder ein Patient mindestens vier blutdrucksenke Wirkstoffe einnahm.

Das ACC/AHA-Ziel verfehlten 39 % der Kaiser-Permanente-Kohorte und 35 % der Veterans-Health-Population. Für das KDIGO-Ziel lagen diese Raten bei 48 % bzw. 55 %. Je fortgeschrittener die Niereninsuffizienz, desto höher fiel die Prävalenz der resistenten Hypertonie aus. Die meisten Teilnehmer (jeweils ca. 30 %) hatten einen unkontrollierten Bluthochdruck, definiert als ein Wert über 130/80 mmHg trotz drei bis vier Antihypertensiva.

Betrachtete man ausschließlich die Patienten, die ein Diuretikum in ihrer Medikation hatten, sank die Prävalenz der therapieresistenten Hypertonie nach ACC/AHA-Maßstab auf 31 % bzw. 23 %. Den Autoren zufolge entstand dieser Unterscheid, weil vor allem Teilnehmer mit gut kontrolliertem Blutdruck ein Diuretikum einnahmen (86–92 %). Diejenigen mit unkontrollierten Werten erhielten es nur zu 62–74 %.

Ein bedeutender Teil der Patienten mit chronischer Nierenerkrankung kommt somit für eine Intensivierung der antihypertensiven Therapie infrage, schlussfolgern die Forscher. Sie sehen eine Gelegenheit, das Outcome dieser vulnerablen Population zu verbessern. Schließlich geht ein resistenter Bluthochdruck mit einem höheren Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse und für eine Progression der Niereninsuffizienz einher.                                                                                   

* American College of Cardiology/American Heart Association
** Kidney Disease Improving Global Outcomes

An et al. CJASN 2022; 17: 1457–1466; doi: 10.2215/CJN.04110422

Kurz kommentiert

Eine gute Blutdruckeinstellung ist ein wichtiger Baustein in der Behandlung von Patienten mit chronischer Nierenerkrankung – zum einen, um die Progression der Nierenfunktionsstörung zu bremsen, zum anderen, um die kardiovaskuläre Mortalität und Morbidität zu begrenzen.

Die vorliegende Arbeit aus den USA zeigt, wie häufig der Zielblutdruck, den die amerikanischen Fachgesellschaften bzw. die KDIGO empfehlen, nicht erreicht wird. Sicherlich sind diese Ziele (unter 130/80 mmHg bzw. 120/80 mmHg) ambitionierter als die der europäischen Gesellschaften, die bei chronischer Nierenerkrankung systolische Werte zwischen 130 und 140 mmHg anvisieren. Nichtsdestotrotz muss man sich bewusst machen, dass ein substanzieller Anteil von Patienten mit Nierenfunktionsstörung in der Tat einen nicht ausreichend kontrollierten Blutdruck hat.

Ihr Prof. Prof. h.c. Dr. Markus van der Giet
Vorstandsmitglied Deutsche Hochdruckliga e.V.
Charité – Universitätsmedizin Berlin