Vom 25.-29.8.2018 trafen sich beim Kongress der European Society of Cardiology (ESC) rund 31.000 Teilnehmer aus 150 Ländern zu Expertenvorträgen und wissenschaftlichem Austausch. Ein wichtiger Programmpunkt war die Diskussion der Europäischen Leitlinie für die Behandlung von Bluthochdruck, die zusammen von der „European Society of Hypertension“ (ESH) und der ESC entwickelt worden war und nun zum Kongress publiziert wurde [1].
Eine Neuerung mit großer Bedeutung für die klinische Praxis in Deutschland ist die Empfehlung von sogenannten Fixdosis-Kombinationen (im engl. „single pill combinations“); also Tabletten, die 2-3 blutdrucksenkende Substanzen enthalten. „Die medikamentöse Therapie soll nun primär als Zweifach-Kombinationstherapie aus ACE-Hemmern oder Angiotensin-Rezeptor-Blocker (ARB) und Kalziumantagonist oder Thiaziddiuretikum erfolgen, die Monotherapie hat als Erstlinientherapie ausgedient“, so fasst Prof. Dr. Bernhard K. Krämer, Mannheim, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Hochdruckliga e.V. DHL® | Deutschen Gesellschaft für Hypertonie und Prävention e.V., die wesentliche Änderung zusammen.
Neuer Therapiestandard sind also „2 in 1“-Blutdrucksenker (bzw. „3 in 1“). Noch sieht der Behandlungsalltag in Deutschland aber ganz anders aus: Die Kombinationspräparate machen derzeit nur rund 15% der verschriebenen Blutdrucksenker aus (Anteil der Zweifach-Kombinationen: 14%; Anteil der Dreifachkombinationen: 1%), das Gros der Patienten wird mit Einzelsubstanzen behandelt und muss bei Bedarf bis zu drei verschiedene Blutdrucksenker einnehmen. Um eine leitliniengerechte Therapie zu ermöglichen, muss jetzt der KBV-Medikationskatalog [2] entsprechend angepasst und die Kombinationspräparate priorisiert werden. Das wird mit höheren Kosten für die Krankenkassen einhergehen, da Präparate mit einer Mehrfachkombination derzeit oft teurer sind als die Einzelwirkstoffe. Dieses Investment lohne sich aber und sei auch nicht ohne Grund von der europäischen Leitlinienkommission empfohlen worden. „Es gibt viele Studien, die zeigen, dass die Therapietreue mit der Anzahl der Tabletten, die eingenommen werden müssen, abnimmt. Werden Mehrfachkombinationen verschrieben, kann das die Zahl der Patienten, die eine erfolgreiche und anhaltende Blutdrucksenkung erreichen, erhöhen. Mehrfachkombinationen mögen zwar teurer sein, aber sie können helfen, viele Schlaganfälle, Herzinfarkte und andere Folgekomplikationen zu verhindern“, so Professor Krämer. „Kombinationspräparate haben darüber hinaus den Vorteil, dass mehrere Wirkstoffe in einer Tablette z.T. in niedrigerer Dosierung kombiniert werden, was die Tabletten in der Regel nebenwirkungsärmer macht.“
Derzeit ist die Hälfte aller Menschen mit Bluthochdruck in Deutschland nicht bzw. nicht ausreichend behandelt und nach Ansicht der Experten ist es dringend notwendig, diesen Anteil deutlich zu reduzieren. Nur so kann den z.T. dramatischen Folgeerkrankungen von Bluthochdruck – wie Herzinfarkt, Schlaganfall, Nierenkrankheit, Erblindung oder Demenz – entgegengewirkt werden. „Wir müssen alles daransetzen, dass mehr Menschen mit Bluthochdruck erfolgreich behandelt werden“, so Professor Dr. Peter Trenkwalder, stellv. Vorstandsvorsitzender der Deutschen Hochdruckliga. „Ein Weg dahin ist der Einsatz von Mehrfachkombinationspräparaten.“ Die Mehrkosten für die Kombinationsmedikamente würden sich langfristig auch auszahlen. „Derzeit werden Milliarden ausgegeben, um Folgeerkrankungen von Bluthochdruck zu therapieren. Wir glauben, dass es sich lohnt, von vornherein etwas mehr in eine effizientere Bluthochdrucktherapie zu investieren, die teure Folgekomplikationen verhindern kann.“
Die Deutsche Hochdruckliga setzt sich dafür ein, dass die Empfehlung der neuen Leitlinie schnell in den KBV Medikationskatalog Hypertonie eingearbeitet wird, damit die verschreibenden Ärzte keine Probleme bekommen, wenn sie ihre Patienten bestmöglich nach aktuellem Leitlinienstandard behandeln wollen. „Sollte es der Arzt für notwendig erachten, auf Basis der aktuellen Leitlinie, Mehrfachkombinationen zu verordnen, darf er dafür nicht finanziell bestraft werden. Hier besteht Handlungsbedarf“, so Professor Trenkwalder. „Wir fordern eine schnelle Umsetzung der Leitlinienempfehlung, und zwar auch abrechnungstechnisch, damit Hausärzte und Hypertensiologen ihre Patienten optimal versorgen können.“
Quellen
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