Hochdruck an der Darmflora packen
Bei hypertensiven Frauen mischt das Mikrobiom mit
In puncto Hypertonie gibt es deutliche geschlechtsspezifische Unterschiede. Eine Ursache dafür könnte die Darmflora sein. Denn deren Dysregulation scheint bei Frauen, nicht aber bei Männern, mit einem Bluthochdruck assoziiert.
Zahlreiche Studien weisen auf eine Assoziation zwischen Darmmikrobiom und Hypertonie hin. Welche speziellen Bakterien dabei involviert sind und ob sich dies bei Männern und Frauen unterscheidet, war Gegenstand einer chinesischen Studie. 113 Männer und 128 Frauen unterzogen sich darin einer 24-Stunden-Blutdruck-Messung. Außerdem untersuchten die Forscher die Darmflora der Teilnehmer mittels Schrotschuss-Sequenzierung und bestimmten die kurzkettigen Fettsäuren im Plasma.
Tatsächlich zeigten sich in der Hochdruckgruppe häufiger Veränderungen des Mikrobioms, schreiben Preeti Dinesh Virwani, Li Ka Shing Faculty of Medicine, University of Hongkong, und Kollegen. Nach Adjustierung auf zahlreiche hochdruckrelevante Variablen (u.a. Alter, BMI, Natriumaufnahme, Lipidwerte, Rauchen) war der Zusammenhang allerdings nur bei den Frauen signifikant.
Vor allem Ruminococcus gnavus, Clostridium bolteae und Bacteroides ovatus fanden sich bei den hypertensiven Teilnehmerinnen häufiger als bei den normotensiven. Letztere wiesen dagegen im Vergleich vermehrt Dorea formicigenerans auf. Ebenfalls nur bei den Frauen waren erhöhte Spiegel der kurzkettigen Fettsäuren und der Propionsäure im Plasma mit einem Hochdruck assoziiert und erwiesen sich als unabhängige Prädiktoren für den systolischen und diastolischen Blutdruck.
Im Gegensatz zu Männern scheint also bei Frauen die Dysregulation der Darmflora eine wichtige Rolle bei der Entwicklung einer Hypertonie zu spielen. Ursache dafür könnte die vermehrte Zirkulation freier kurzkettiger Fettsäuren und der Propionsäure aus dem Darmtrakt sein.
Die Ergebnisse unterstreichen nicht nur, dass die Darmflora wohl zu den bekannten geschlechtsspezifischen Unterschieden in der Pathogenese der Hypertonie beiträgt. Sie könnten auch dazu führen, dass – zumindest bei Frauen – spezifische Bakterien und kurzkettige Fettsäuren künftig zum Therapieziel werden könnten.
Quelle:
Virwani PD et al. Hypertension 2023; 80: 1331-1342,
Kurz kommentiert:
Dass das Mikrobiom auf den Blutdruck wirkt, ist mittlerweile seit vielen Jahren bekannt. Sehr elegante Arbeiten konnten zeigen, dass durch Veränderung des Mikrobioms auch der Blutdruck und ggfs. sogar die Therapie eines Hochdrucks beeinflusst werden kann. In der vorliegenden Arbeit einer Arbeitsgruppe aus Hongkong ist noch ein weiterer interessanter Aspekt identifiziert worden. Hier konnte gezeigt werden, dass mikrobielle Veränderungen bei Frauen möglicherweise eine größere Bedeutung für die Blutdruckregulation haben als bei Männern. Eine Veränderung des Mikrobioms mit Häufung bestimmter Mikroben, wie Ruminococcus gnavus, Clostridium bolteae und Bacteroides ovatus, fand sich vermehrt bei Frauen mit Hypertonie, während bei normotensiven Frauen Dorea formicigenerans häufiger vorkam. Zusätzlich stellte sich heraus, dass das Mikrobiom von hypertensiven gegenüber normotensiven Männern keine signifikante Veränderung aufwies.
Die Studie suggeriert, dass Mikrobiomveränderungen bei Frauen eine möglicherweise relevantere Auswirkung auf die Blutdruckregulation haben als bei Männern. Die Ursache ist unklar, es kann nur spekuliert werden, dass hormonelle Unterschiede einen Einfluss auf das Mikrobiom haben. Das Ergebnis hat aber sicherlich auch für eine differenzierte Therapie in Zukunft Bedeutung. Wir lernen zunehmend im Alltag, dass die Behandlungsansätze bei Frauen und Männern durchaus variieren, dieser Erkenntnis sollte ein gezielterer therapeutischer Ansatz folgen.
Ihr Prof. Prof. h.c. Dr. Markus van der Giet
Vorstandsvorsitzender Deutsche Hochdruckliga e.V.
Charité – Universitätsmedizin Berlin