Für Mediziner

Keine Angst vor Antihypertensiva nach Schlaganfall

Blutdrucksenkende Medikamente erhöhen die Sturzgefahr nicht

Nach einem Schlaganfall steht es mit der Adhärenz zu Antihypertensiva nicht zum Besten. Einer der Gründe: die Angst vor Stürzen. Doch die scheint unbegründet, wie eine aktuelle Real-World-Studie ergab.

Im ersten Jahr nach einem Schlaganfall haben die Betroffenen ein mehr als doppelt so hohes Risiko für ein schwerwiegendes kardiovaskuläres Ereignis (major adverse cardiovascular event, MACE) wie Kontrollgruppen. Die gängigen Leitlinien empfehlen daher eine antihypertensive Therapie, mit der sich die Gefahr nachweislich senken lässt. Es gibt aber Studien, in denen ein erhöhtes Sturzrisiko unter der Medikation nach einem Insult ermittelt wurde. Die Angst davor trägt dazu bei, dass die Adhärenz mau ausfällt. So brach in einer australischen Untersuchung jeder Fünfte die blutdrucksenkende Behandlung binnen sechs Monaten ab.

Dr. Lachlan Dalli vom Department of Medicine der Monash University in Clayton und Kollegen haben die Zusammenhänge zwischen Adhärenz, MACE und Stürzen nun noch einmal geprüft. In ihre retrospektive Kohortenstudie schlossen sie 4076 Patienten im mittleren Alter von 68 Jahren ein, denen nach einem Schlaganfall Antihypertensiva neu verordnet worden waren. Anhand der Rezepte errechneten die Forscher die Anzahl der Tage, an denen die Teilnehmer in den ersten sechs Monaten Zugang zu den Medikamenten hatten (proportion of days covered, PDC). In den Monaten 6–18 nach dem Schlaganfall wurden der Endpunkt MACE* sowie Stürze, die eine Hospitalisierung nötig machten, erfasst.

Im ersten Halbjahr wiesen 55 % der Patienten eine PDC ≥ 80 % auf. In den nachfolgenden zwölf Monaten erlitten 9 % ein MACE und 8 % mussten wegen eines Sturzes – meist nach Synkope – ins Krankenhaus. Das Risiko für MACE lag für diejenigen mit einer PDC ≥ 80 % um 32 % niedriger als für weniger adhärente Teilnehmer (Hazard Ratio, HR 0,68), das für Stürze um 22 % (HR 0,78). Nicht zuletzt aufgrund dieses signifikanten Unterschieds raten die Autoren, Betroffene dazu anzuspornen, ihre Antihypertensiva dauerhaft einzunehmen.       

* zusammengesetzt aus Tod jeglicher Ursache, Schlaganfallrezidiv oder akutem Koronarsyndrom

Quelle
Dalli LL et al. Hypertension 2023; 80: 182-191; doi: 10.1161/HYPERTENSIONAHA.122.19883

Kurz kommentiert
Medikamentenadhärenz bleibt leider ein großes Thema in der alltäglichen Behandlung. In der vorliegenden Arbeit zeigt sich, welch große Bedeutung die Adhärenz zu Antihypertensiva nach einem Schlaganfall hat, um erneut auftretende Ereignisse zu verhindern. Die Patienten müssen daher unbedingt darüber informiert werden, wie wichtig eine sehr gute Medikamentenadhärenz trotz der vielen potenziell beobachteten Nebenwirkungen gerade in der ersten Phase nach Schlaganfall ist.

Ihr Prof. Prof. h.c. Dr. Markus van der Giet
Vorstandsvorsitzender Deutsche Hochdruckliga e.V.
Charité – Universitätsmedizin Berlin