Salz ist ein Treiber von Bluthochdruck. Die modernen Ernährungsgewohnheiten mit Fertigprodukten und konservierten Lebensmitteln hat dazu geführt, dass der moderne Mensch ein Vielfaches an Salz zu sich nimmt, als physiologisch sinnvoll ist. Bislang ist man davon ausgegangen, dass ein zu hoher Salzkonsum über Volumenexpansion, Veränderungen am RAAS-System und freie Radikale zum Blutdruckanstieg und in Folge zu Endorganschäden führt. Relativ neu ist die Erkenntnis, dass Salz auch eine Immunzellaktivierung anstößt und proinflammatorische Zytokine aktiviert. Tierexperimentell [1, 2] konnte gezeigt werden, dass ein erhöhter Salzkonsum zur Infiltration des Nervensystems mit TH17-Zellen führt, das sind T-Helferzellen, die mit der Entstehung von chronischen Entzündungen und Autoimmunerkrankungen in Verbindung gebracht werden. Neben Immunsystem und Nervensystem ist auch das gastrointestinale System bei der Entstehung von Bluthochdruck in Folge eines hohen Salzkonsums beteiligt. Ein vor wenigen Tagen im „The New England Journal of Medicine“ [3] erschienenes Editorial fasst die beteiligten Organsystem und die verschiedenen Signalwege zur Salzexkretion zusammen und betont, dass bereits der Ausfall eines Signalwegs zur Salzsensitivität und Bluthochdruck in Folge führt.
Wissend, dass das Mikrobiom das Immunsystem reguliert, wurden in den vergangenen Jahren Untersuchungen des intestinalen Mikrobioms bei Bluthochdruck und assoziierten Organschäden initiiert. Wegweisend war eine Arbeit von Dr. Nicola Wilck, Charité-Universitätsmedizin Berlin, deren Ziel es war, Einflussfaktoren für das Mikrobiom zu charakterisieren und Auswirkungen auf die Inflammation besser zu verstehen. Die Arbeitsgruppe zeigte [4], dass eine erhöhte Salzaufnahme neben der Erhöhung des Blutdrucks zu Veränderungen des Mikrobioms, bakterieller Metabolite und pro-inflammatorischer Th17-Zellen führt und eine gezielte probiotische Behandlung diese Veränderungen verhindern könnte. Das Experimental and Clinical Research Center (ECRC) der Charité-Universitätsmedizin Berlin rekrutiert derzeit Patientinnen und Patienten im Alter von 50-80 Jahren für eine randomisierte klinische Studie (HYPRO), um den Einfluss eines Probiotikums auf den Blutdruck von Patienten mit Hypertonie Grad 1 zu untersuchen. „Das sind sehr interessante Ansätze, die komplett neue Therapieoptionen zur Behandlung von salzsensitivem Bluthochdruck in Aussicht stellen“, erklärt Prof. Ulrich Wenzel, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Hochdruckliga. „Doch bei diesem Ansatz beginnen wir am Ende der Kette. Wir versuchen, die negativen Folgen, die ein hoher Salzkonsum auf das Mikrobiom hat, durch die Gabe von Probiotika zu korrigieren. Einfacher wäre es – zumindest in der Theorie –, den Salzkonsum konsequent zu senken.“
Dass das einen eindrucksvollen Effekt hat, konnte jüngst eine chinesische Studie zeigen, die prospektiv und randomisierte [6] den Effekt einer alimentären Kochsalzreduktion an einer Population von Hochrisikopatientinnen und -patienten untersucht. Die Open-Label-Studie schloss 20.995 Personen ein, die entweder bereits einen Schlaganfall erlitten hatten oder mindestens 60 Jahre alt waren und unter Bluthochdruck litten. Die Kohorte wurde zu gleichen Teilen randomisiert. In der Interventionsgruppe verwendeten die Studienteilnehmer Kochsalzsubstitute bzw. Salz-Ersatzprodukte (Mineralsalzmischung aus 75% Natriumchlorid und 25% Kaliumchlorid), in der Kontrollgruppe wurde weiterhin das übliche Kochsalz benutzt (100% Natriumchlorid). Primärer Endpunkt war die Schlaganfallinzidenz; bezüglich der klinischen Sicherheit des Kochsalzsubstitutes wurden Kalium-assoziierte Ereignisse ausgewertet. Die Studienteilnehmenden (49,5 % weiblich) waren im Mittel 65,4 Jahre alt, 88,4% litten an Bluthochdruck und 72,6 % hatten bereits einen Schlaganfall erlitten. Die mittlere Nachbeobachtungszeit betrug 4,74 Jahre. Im Ergebnis war die Schlaganfallrate in der Interventionsgruppe 14% niedriger als in der Kontrollgruppe (RR 0,86; 29,14 versus 33,65 Ereignisse pro 1.000 Personenjahre; p=0,006). Ebenso die Gesamttodesfälle (alle Ursachen: 39,28 versus 44,61 Ereignisse; RR 0,88; p<0,001).
„Allein durch die nur 25%ige Reduktion der Natriumchloridzufuhr konnte die Sterblichkeit und die Schlaganfallrate in einer Hochrisikopopulation signifikant gesenkt werden“, betont Prof. Wenzel. „Doch auch in der Allgemeinbevölkerung hat die Reduktion des Salzkonsums einen großen Effekt, wie eine Studie zeigte, die am 13. November dieses Jahres im hochrenommierten ‚The New England Journal of Medicine‘ (NEJM) [7] erschienen ist.“ In der Untersuchung wurden sechs Populationskohorten aus UK mit über 10.000 gesunden Menschen analysiert. Es zeigte sich, dass das kardiovaskuläre Risiko proportional mit dem Salzkonsum, gemessen an der Salzausscheidung im Urin, anstieg. Jeder 1.000 mg- Anstieg der Natriumexkretion, was etwa einer diätetischen Zufuhr von 2,5 g Salz entspricht, war mit einer 18%igen Erhöhung des Risikos für Herzerkrankungen und Schlaganfälle einher.
Wie der Experte ausführt, schien in beiden NEJM-studien [6, 7] Kalium protektiv zu sein, in der chinesischen Studie [6] war Natriumchlorid z.T. durch Kaliumchlorid ersetzt worden, in der Studie aus Großbritannien war das kardiovaskuläre Risiko am höchsten, wenn im 24-h-Urin eine hohe Natriumausfuhr und eine niedrige Kaliumausfuhr gemessen wurde.
„Das zeigt, wie groß der Einfluss des zu hohen Salzkonsums auf die Gesundheit ist, doch diese Gefahr ist allgemein noch zu wenig bekannt“, schlussfolgert der Experte. Die Deutsche Hochdruckliga hat sich daher der weltweiten Initiative der World Hypertension League zur Aufklärung über den Salzkonsum angeschlossen.
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