Presse

Presse

Empfehlungen zur Risikoeinstufung von Hypertonikern im Rahmen der SARS-CoV-2-Pandemie

An die Deutsche Hochdruckliga wird zunehmend die Frage herangetragen, inwieweit eine bestehende Hypertonie mit einer Immuninsuffizienz einhergeht, d.h. das Risiko für eine Infektion mit SARS-CoV-2 bzw. einen schwerwiegenden Verlauf einer COVID-19-Erkrankung erhöht.

Die "European Society of Hypertension" (ESH) schreibt in einer Stellungnahme [1], dass es derzeit keine Evidenz dafür gibt, dass Bluthochdruck per se das Risiko erhöht, sich mit SARS-CoV-2 zu infizieren. Laut Guzik et al. [2], die ein umfassendes Review zu COVID-Risikofaktoren des kardiovaskulären Systems zusammengestellt haben, zeigen die derzeit verfügbaren Daten einen Anteil von Hypertonikern unter Covid-19-Patienten von 15-40% auf (je nach Studie). Diese Rate entspricht in etwa dem Anteil der Menschen in der Allgemeinbevölkerung, die unter Bluthochdruck leiden (ca. 30%). Das deutet darauf hin, dass Bluthochdruck per se das Infektionsrisiko nicht erhöht.

Gleiches gelte für die Frage, ob Bluthochdruck das Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf von COVID-19 aggraviere. Auf dem ersten Blick, so heißt es im Review von Guzik et al. [2], sehe es so aus, da bei vielen Patienten mit schweren Verläufen der neuartigen Infektionskrankheit anamnestisch ein Bluthochdruck erhoben wurde. Deshalb wurde Hypertonie schon frühzeitig nach dem Ausbruch der Pandemie als Risikofaktor neben anderen Erkrankungen wie Diabetes mellitus, kardiovaskulären Erkrankungen, COPD und Krebs gelistet. Problem bei dieser Einstufung sei allerdings, dass Bluthochdruck eng mit dem Alter assoziiert ist, bei älteren Menschen also häufiger auftritt. In Deutschland ist bei den über 50-Jährigen etwa jeder Dritte betroffen, bei den über 60-Jährigen bereits jeder Zweite. Es ist außerdem bekannt, dass vor allem ältere COVID-19-Patienten einen schweren Verlauf mit Intensivpflichtigkeit, Beatmungspflichtigkeit oder Tod nehmen. Insofern ist es nicht verwunderlich, dass die Rate an vorliegenden Bluthochdruckerkrankungen bei diesen, in der Regel älteren Patienten mit schweren Covid-19-Verläufen ebenfalls hoch ist. Zum jetzigen Zeitpunkt besteht abschließend keine Klarheit darüber, ob es eine direkte Assoziation zwischen Bluthochdruck und schweren Krankheitsverläufen gibt oder ob das Alter als „Confounder“ diesen Zusammenhang maßgeblich herstellt [2].

Die aktuelle Datenlage zeigt allerdings sehr eindrücklich, dass Hochdruckpatienten, die ACEI oder ARB einnehmen, kein höheres „COVID-Risiko“ aufweisen. Dazu wurden Anfang Mai im NEJM drei größere Observationsstudien [3, 4, 5] publiziert, aus denen sich schließen lässt, dass ein medikamentös eingestellter Bluthochdruck bei Patienten ohne bluthochdruckbedingten Endorganschäden somit per se weder das Risiko, an COVID-19 zu erkranken, noch das Risiko, einen schweren Krankheitsverlauf zu erleiden, erhöht. Im Gegenteil:

Die Autoren des oben genannten Reviews heben [2] die Blutdruckeinstellung als essenzielle Vorsorgemaßnahme im Rahmen der SARS-CoV-2-Pandemie hervor.

Patienten mit arterieller Hypertonie sollten also ihre Hochdruckmedikamente weiter einnehmen und auf eine gute Blutdruckkontrolle achten, so lautet auch die ESH-Empfehlung [1], der sich die Deutsche Hochdruckliga anschließt.

Lt. Deutscher Hochdruckliga gibt es aktuell* keine Evidenz dafür, dass Hochdruckpatienten ohne schwere Endorganschäden/ bluthochdruckbedingten Folgeerkrankungen mehr geschützt werden müssten (zum Beispiel durch ein Beschäftigungsverbot) als die altersgleiche Allgemeinbevölkerung, wenn der Blutdruck gut eingestellt ist. Für sie gelten die allgemeinen Empfehlungen des RKI (Hygienemaßnahmen, Abstandsgebot, Impfempfehlungen (www.rki.de)).

Literatur

[1] Statement of the European Society of Hypertension (ESH) on hypertension, Renin-Angiotensin System (RAS) blockers and COVID-19. April 15th 2020. https://www.eshonline.org/spotlights/esh-statement-covid-19

[2] Guzik TJ, Mohiddin SA, Dimarco A et al. COVID-19 and the cardiovascular system: implications for risk assessment, diagnosis, and treatment options. Cardiovasc Res. 2020 Apr 30. pii: cvaa106. doi: 10.1093/cvr/cvaa106. [Epub ahead of print], https://doi.org/10.1093/cvr/cvaa106

[3] Mehra MR, Desai SS, Kuy S, Henry TD, Patel AN. Cardiovascular disease, drug therapy, and mortality in Covid-19. N Engl J Med. DOI: 10.1056/NEJMoa2007621. https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa2007621 

[4] Reynolds HR, Adhikari S, Pulgarin C, et al. Renin–angiotensin–aldosterone system inhibitors and risk of Covid-19. N Engl J Med. DOI: 10.1056/NEJMoa2008975 . https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa2008975 

[5] Mancia G, Rea F, Ludergnani M, Apolone G, Corrao G. Renin–angiotensin–aldosterone system blockers and the risk of Covid-19. N Engl J Med. DOI: 10.1056/NEJMoa2006923. https://www.nejm.org/doi/full/10.1056/NEJMoa2006923 

*Die Dynamik der Studienlage ist sehr hoch. Täglich werden neue Arbeiten zu SARS-CoV-2/COVID-19 publiziert und erweitern das Wissen. Die vorliegenden Empfehlungen reflektieren den Kenntnisstand zum Publikationsdatum.