Eine Absenkung des systolischen Blutdrucks auf Werte unter 130 mmHg bringt älteren Patienten deutliche kardiovaskuläre Vorteile. Dieses Ergebnis einer randomisierten Studie wurde nun im „echten Leben“ bestätigt.
Nicht zuletzt seit der SPRINT-Studie wird regelmäßig über Blutdruckziele für Ältere diskutiert. Eine intensivierte antihypertensive Therapie konnte kürzlich auch in der STEP*-Studie, an der 60- bis 80-jährige hypertensive Chinesen teilgenommen hatten, überzeugen. In STEP gingen systolische Zielwerte zwischen 110 und 130 mmHg mit einem geringeren Risiko für kardiovaskuläre Erkrankungen und Gesamtmortalität einher als Werte zwischen 130 und 150 mmHg.
Derartige randomisierte kontrollierte Studien sind das eine, der Praxisalltag das andere. Ob sich die Ergebnisse auf das Real-World-Setting übertragen lassen, untersuchte das Team um Dr. Anxin Wang vom Department of Neurology, Beijing Tiantan Hospital. In ihre prospektive Studie schlossen die Forscher 13.383 Herz-Kreislauf-Gesunde im Alter von 60–80 Jahren ein. Die initialen Blutdruckwerte lagen zwischen 110 und 150 mmHg. Etwa die Hälfte der Teilnehmer litt unter einer Hypertonie, 12 % nahmen Antihypertensiva. 45 % hatten als normalisiert definierte Werte zwischen 110 und 130 mmHg.
Im medianen Follow-up von 13 Jahren entwickelten 1727 Patienten eine kardiovaskuläre Erkrankung, 3742 starben. Diejenigen mit initial normalisiertem systolischem Blutdruck hatten ein signifikant niedrigeres Risiko für Herz-Kreislauf-Leiden und Gesamtmortalität als diejenigen mit nicht-normalisiertem Druck (Hazard Ratios, HR 0,81 bzw. 0,89). Die Vorteile in den Inzidenzkurven wurden ab dem sechsten bis siebten Studienjahr offensichtlich.
In der longitudinalen Analyse mit aktualisierten Mittelwerten machte sich ein anhaltend normaler Blutdruck gegenüber dem Bereich 130–150 mmHg ebenfalls bezahlt (HR für kardiovaskuläre Erkrankungen und Mortalität 0,88 bzw. 0,93). Das schärfere Absenken des Blutdrucks sollte bei älteren Patienten deshalb routinemäßig erwogen werden, so das Fazit der Autoren.
* Strategy of Blood Pressure Intervention in the Elderly Hypertensive Patients
Quelle
Wang A et al. Hypertension. 2022; 79: 1866–1875; doi: 10.1161/HYPERTENSIONAHA.122.19587
Kurz kommentiert
Die STEP-Studie zeigte, dass ältere Patienten zwischen dem 60. und 80. Lebensjahr von einer Blutdruckreduktion mit einem Ziel unter 130 mmHg systolisch profitieren – sowohl in Bezug auf kardiovaskuläre Ereignisse als auch hinsichtlich der Mortalität. Die vorliegende Studie bestätigt dies in einem Real-World-Szenario mit kardiovaskulär gesunden Chinesen. Es konnte sehr gut demonstriert werden, dass systolische Blutdruckwerte unter 130 mmHg im Vergleich zu Werten zwischen 130 und 150 mmHg über einen Zeitraum von 13 Jahren Vorteile für das Auftreten von kardiovaskulären Erkrankungen bedeuten. Besonders interessant war, dass diese Vorteile erst nach etwa sieben Jahren ersichtlich wurden.
In vielen Blutdrucksenkungsstudien, z.B. der SPRINT-Studie, wurden Patienten mit höheren kardiovaskulären Risiken eingeschlossen, damit sich schnell Unterschiede zwischen den Gruppen erkennen lassen. Die aktuelle Untersuchung belegt nun, dass auch eine ansonsten gesunde ältere Bevölkerung von Werten unter 130 mmHg profitiert, jedoch muss man länger auf die Effekte warten. Aus alldem ergibt sich letztlich ein Plädoyer für eine gute Blutdruckeinstellung im Alter – selbst wenn man sehr gesund ist.
Ihr Prof. Prof. h.c. Dr. Markus van der Giet
Vorstandsvorsitzender Deutsche Hochdruckliga e.V.
Charité – Universitätsmedizin Berlin