Wenn sich Diabetespatienten Belastungstests unterziehen, sollte man ihren Blutdruck sehr gut im Auge behalten. Denn sie haben ein erhöhtes Risiko für unverhältnismäßig große Anstiege unter der Anstrengung. Das könnte für eine schlechte Blutdruckkontrolle im Alltag sprechen.
Ein Belastungshochdruck gilt als unabhängiger Risikofaktor für kardiovaskuläre Morbidität und Mortalität. Befeuert wird dieser Zusammenhang womöglich durch eine unzureichende Blutdruckkontrolle, die bislang unentdeckt blieb. Insbesondere bei Risikogruppen braucht man also mehr als die klassischen Routinemessungen in Ruhe, um die kardiovaskuläre Gefahr überblicken zu können. Zu diesen Risikogruppen zählen Patienten mit Typ-2-Diabetes, die kleineren Studien zufolge vermehrt an einer Belastungshypertonie leiden. Details zur Prävalenz in einer größeren Population liefert nun eine australische Untersuchung.
Dr. Martin Schultz vom College of Health and Medicine der University of Tasmania in Hobart und Kollegen werteten die Daten von 13.268 Teilnehmern der EXERTION*-Studie aus. 1.199 von ihnen hatten einen Typ-2-Diabetes, das mittlere Alter lag bei 53 Jahren. Alle unterzogen sich einer Laufbandergometrie nach dem Bruce-Protokoll mit Messungen der Blutdrucke in vier Steigerungsstufen sowie bei maximaler Anstrengung. Eine Belastungshypertonie war definiert als systolischer Druck oberhalb der 90ten Perzentile in jeder Stufe.
Die Forscher adjustierten ihre Ergebnisse auf Alter, Geschlecht, Blutdruck vor Belastung, aerobe Kapazität, Hypertonie sowie andere kardiovaskuläre Erkrankungen in der Anamnese und konnten zeigen, dass ein Belastungshochdruck bei Diabetespatienten unabhängig von all diesen Faktoren gehäuft auftritt. Im Vergleich zu den Stoffwechselgesunden lag die Prävalenzrate um 12–51 % höher (Stufe 1: 1,12; Stufe 2: 1,51; Stufe 3: 1,25; unter Ausbelastung: 1,18). Zudem wiesen Diabetiker während jeder Belastungsstufe einen höheren systolischen Blutdruck bei der 90. Perzentile auf als Nicht-Diabetiker.
In den Stufen eins bis drei entwickelten 8,6–15,8 % aller Teilnehmer mit initial normotonen Werten – definiert als ein Druck < 140/90 mmHg – eine Belastungshypertonie. Auch hier gab es einen Unterschied zwischen Diabetespatienten und Stoffwechselgesunden. Bei ersteren bewegte sich die Quote zwischen 4,8 % und 9,7 %, im Vergleichskollektiv betrug sie 3,5–6,1 %. Die Autoren halten es im Alltag daher für wichtig, bei Belastungstests von Typ-2-Diabetikern an die erhöhte Wahrscheinlichkeit einer übermäßigen Blutdruckantwort zu denken.
* Exercise Stress Test Collaboration
Quelle
Schultz MG et al. Hypertension 2022; 79: 2346–2354; doi: 10.1161/HYPERTENSIONAHA.122.19420
Kurz kommentiert
In der vorliegenden Arbeit wird sehr gut gezeigt, dass Menschen mit Diabetes mellitus häufiger eine sehr intensive Blutdrucksteigerung unter definierter Belastung haben. Gerade bei diesen Patienten muss man auch unter Alltagsbelastung von höheren Werten ausgehen. Sie brauchen daher eine intensivere Blutdruckkontrolle, um eine adäquate Einstellung im Alltag zu gewährleisten.
Ihr Prof. Prof. h.c. Dr. Markus van der Giet
Vorstandsvorsitzender Deutsche Hochdruckliga e.V.
Charité – Universitätsmedizin Berlin