Basis für eine erfolgreiche Bluthochdrucktherapie sind adäquate Kontrollen – sowohl beim Arzt als auch im häuslichen Umfeld. In Deutschland halten sich allerdings nur wenige Praxen und Patienten an die empfohlenen Standards, wie eine Umfrage zeigt.
Geräuscharme Umgebung, fünf Minuten Ruhe zuvor und dreimal mit ein bis zwei Minuten Abstand messen: Das sehen die Leitlinien für die Blutdruckbestimmung in der Praxis vor. Zuhause sollten die Patienten nach festem Stundenplan, z.B. morgens und abends an mehreren aufeinanderfolgen Tagen, ihren Blutdruck messen. Schon länger herrschen Zweifel daran, wie gut diese Empfehlungen in die Realität umgesetzt werden. Das Team um Dr. Christian Beger, Klinik für Nieren- und Hochdruckerkrankungen, Medizinische Hochschule Hannover, führte dazu zwischen Mai und August 2021 eine Umfrage an deutschen Arztpraxen durch.
7049 Fragebogen von Allgemeinmedizinern (66 %) und Internisten (34 %) konnten ausgewertet werden. Im Durchschnitt lag der Praxisblutdruck bei 140,0/82,7 mmHg. 81,7 % der Patienten hatten eine bekannte Hypertonie. Im Zielbereich befanden sich laut Praxismessung 40,8 % der Behandelten. Die meisten bekamen eine Monotherapie (34,7 %) oder zwei Substanzen (38,2 %).
In zwei Drittel der Fälle (66,3 %) dokumentierten die niedergelassenen Ärzte einen Einzelwert, nur bei 21,8 % fanden zwei bis drei Messungen statt. Die vorausgehende Ruheperiode wurde bei 87,1 % der Patienten eingehalten, 80,4 % saßen während der Untersuchung in einem separaten Raum. Unter denjenigen mit bekannter Hypertonie kontrollierten 62,3 % ihren Druck zuhause, ein Viertel tat dies höchstens einmal pro Woche, ein weiteres Viertel immerhin täglich.
Die Autoren fassen diese Zahlen nüchtern zusammen: Eine gute Blutdruckkontrolle erreicht nicht einmal jeder zweite Patient. Zudem werden zu viele Betroffene entgegen den Leitlinienempfehlungen mit einer Monotherapie behandelt. Was die Messungen in der Praxis angeht, so entsprechen diese oft nicht den Vorgaben. Die häuslichen wiederum folgen eher dem Zufallsprinzip als einem strukturierten Schema.
Um die Situation zu verbessern, fordern die Autoren eine bessere Vergütung der zeitaufwendigen Kontrollen. Auf Patientenseite wäre der vermehrte Gebrauch von Apps und digitaler Trainer – in dieser Umfrage nur von 3 % genutzt – hilfreich, um die Überwachung zu unterstützen.
Quelle
Beger C et al. Blood Pressure 2023; doi: 10.1080/08037051.2023.2165901
Kurz kommentiert
Diese Studie aus dem deutschen Praxisalltag zeigt, wie wenig die regelmäßige Selbstkontrolle des Blutdrucks im heimischen Umfeld durchgeführt wird. Das lässt darauf schließen, dass die Patienten sich häufig nicht mit der Hypertonie auseinandersetzen. Möglicherweise reicht die Therapie auch nicht aus. Die Heimblutdruckmessung nach vorgegebenen Standards ist für die Patienten enorm wichtig, um das Bewusstsein für einen gut kontrollierten Blutdruck zu schärfen.
Ihr Prof. Prof. h.c. Dr. Markus van der Giet
Vorstandsvorsitzender Deutsche Hochdruckliga e.V.
Charité – Universitätsmedizin Berlin