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Für Mediziner

Frühe Nierenschäden durch erhöhten Blutdruck in der Adoleszenz

Schon bei 30- bis 35-Jährigen lässt sich eine Albuminurie nachweisen

Heranwachsenden, deren Blutdruck über 130/80 mmHg liegt, drohen renale Schäden im jungen Erwachsenenalter. Das zeigt eine groß angelegte Kohortenstudie. Das Risiko hängt auch maßgeblich vom Body Mass Index ab.

Immer häufiger betrifft die arterielle Hypertonie bereits Heranwachsende. Basierend auf der Normalverteilung und ähnlich zu den Blutdruckgrenzen bei Erwachsenen stuft die Amerikanische Gesellschaft für Pädiatrie Werte über 130/80 mmHg ab dem 14. Lebensjahr als Hochdruck ein. Allerdings mangelt es an Langzeitstudien zum renalen und kardiovaskulären Risiko dieser jungen Patientengruppe, konstatieren Dr. Avishai Tsur vom Sheba Medical Center in Ramat Gan, Israel, und Kollegen.

Die Forscher konzentrierten sich in ihrer Kohortenstudie auf frühe Nierenschäden im Erwachsenenalter. Diese waren definiert als eine Albuminurie ≥ 30 mg/g bei einer eGFR von mindestens 60 ml/min/1,73m². Die eingeschlossene Population bestand aus etwa 600.000 Israelis (54 % männlich), die im Alter von 16 bis 20 Jahren im Rahmen des Pflicht-Wehrdienstes medizinisch untersucht worden waren. Anhand des initialen Blutdrucks bildete man eine Referenzgruppe (A) mit Werten < 120/80 mmHg und drei Vergleichsgruppen: 120/<80 – 129/<80 mmHg (B), 130/80 – 139/89 mmHg (C) und ≥ 140/90 mmHg (D).

Im Laufe der mittleren Nachbeobachtungszeit von 15,1 Jahren entwickelten 2004 Personen (0,3 %) eine Albuminurie. Ein signifikant erhöhtes Risiko für diesen frühen renalen Schaden fand sich ab einem initialen Blutdruck ≥ 130/80 mmHg, insbesondere bei gleichzeitig erhöhtem Body Mass Index. Die adjustierten Hazard Ratios betrugen in den Gruppen C und D 1,17 und 1,49, wenn der BMI eingangs unterhalb der 85. Perzentile lag. Waren die Heranwachsenden übergewichtig (BMI ≥ 85. Perzentile), ergaben sich Hazard Ratios von 1,51 bzw. 1,79.

Die Autoren betonen, dass diese Zusammenhänge bereits vor dem 30. bis 35. Lebensjahr sichtbar wurden. Ein Blutdruckscreening in der späten Adoleszenz scheint also vor allem bei Übergewicht und Adipositas eine relevante Rolle zu spielen. Und auch wenn sich aus der Studie keine Kausalität ableiten lässt, halten die Kollegen den erhöhten Blutdruck von Heranwachsenden für einen potenziell modifizierbaren Risikofaktor im Hinblick auf künftige renale Schäden.

Quelle
Tsur A et al. Hypertension 2022; 79: 974–983; doi: 10.1161/HYPERTENSIONAHA.121.18748

Kurz kommentiert
Nierenschäden sind eine gefürchtete Komplikation bei arterieller Hypertonie. In der vorliegenden Studie wurde bei Heranwachsenden (16–20 Jahre) der Blutdruck gemessen und im Verlauf untersucht, welche Patienten eine Nierenfunktionsstörung bekommen. In einer Nachbeobachtungszeit von mehr als 15 Jahren konnte beeindruckend gezeigt werden, dass ein Blutdruck von über 130/80 mmHg im adoleszenten Alter mit später auftretenden renalen Schäden assoziiert ist.

Sicherlich ist im Jugendalter bei entsprechenden hoch-normalen Werten frühzeitig eine gezielte Information und auch eine Einleitung von Maßnahmen – zunächst intensive Lebensstiländerung – notwendig. Wichtig erscheint zudem, regelmäßig sowohl den Blutdruck zu kontrollieren als auch das Auftreten von renalen Endorganschäden abzuklären. Leider gehen junge Menschen im Alter zwischen 20 und 35 Jahren nur selten zum Arzt.

Ihr Prof. Prof. h.c. Dr. Markus van der Giet
Vorstandsvorsitzender Deutsche Hochdruckliga e.V.
Charité – Universitätsmedizin Berlin