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Blutdruckkontrolle hat ihren Preis

Finanzielle Belohnung funktioniert bei Hypertoniepatienten nur kurzfristig

Um die Blutdruckkontrolle zu optimieren, werden inzwischen auch unkonventionelle Ansätze getestet. Geldspritzen für besonders adhärente Patienten brachten in einer aktuellen Studie keinen längerfristigen Vorteil. Trotzdem lohnt es sich, das Konzept weiterzuverfolgen.

Finanzielle Anreize zur besseren Blutdruckkontrolle konnten bislang nur bedingt überzeugen. Insbesondere blieb unklar, wie nachhaltig der Effekt über einen Zeitraum von mehreren Monaten ist. Grundsätzlich sei dieser Ansatz aber unkompliziert und ressourcenschonend, schreiben Prof. Dr. Liqiang Zheng von der Shanghai Jiao Tong University School of Medicine und Kollegen.

Die Forscher setzten eine randomisierte Studie auf, um den Vorteil der Geldspritzen zu belegen. 207 chinesische Patienten mit schlecht eingestelltem Hypertonus nahmen teil. Während die eine Hälfte sich mit App-basiertem Arztkontakt und einer Aufwandsentschädigung begnügen musste, erhielt die andere zusätzliche Obolusse. Für die wöchentliche Blutdruckdokumentation, das Ausfüllen von Fragebögen und das Erreichen eines Wertes < 140/90 mmHg gab es jeweils kleine Beträge. Im Vergleich zur Kontrollgruppe konnte man sich dadurch insgesamt 460 Yuan dazuverdienen (ca. 64 Euro). Genug Geld, um in China Krankenversicherungs- und Antihypertensivakosten für ein Jahr abzudecken, betonen die Autoren.

Ein statistisch signifikanter Unterschied fand sich lediglich beim Follow-up-Termin nach drei Monaten. Patienten mit finanzieller Unterstützung hatten zu diesem Zeitpunkt einen um 4,8 mmHg niedrigeren mittleren systolischen Druck als diejenigen ohne (–20,9 mmHg vs. –16,1 mmHg gegenüber Baseline).

Im ersten halben Jahr nahm die Rate an gut eingestellten Teilnehmern in beiden Studienarmen deutlich zu, fiel dann jedoch wieder etwas ab. Nach zwölf Monaten lagen noch 20,8 % der Interventionsgruppe und 15,8 % der Kontrollgruppe im Zielbereich. Der mittlere Blutdruck sank während der gesamten einjährigen Nachbeobachtungszeit von ca. 159/94 mmHg auf 149,8/86,6 mmHg bzw. 149,5/86,3 mmHg.

Für den zeitlich begrenzten Erfolg der finanziellen Anreize führen die Forscher mehrere Gründe an. U.a. seien die Geldbeträge womöglich nicht attraktiv genug gewesen. Hinzu kommt, dass drei Monate nach Studienbeginn die Coronapandemie ausbrach und die Patienten sich eventuell mehr auf den Infektionsschutz fokussiert haben als auf ihre Blutdruckkontrolle.

Quelle
Zheng L et al. Hypertension 2022; 79: 2202–2211; doi: 10.1161/HYPERTENSIONAHA.122.19568

Kurz kommentiert
Eine effektive Blutdruckkontrolle ist auch in Deutschland und Europa ein ambitioniertes Ziel. Finanzielle Anreize wie in der vorliegenden Studie aus China sind ein möglicher Ansatz für eine bessere Adhärenz. Interessanterweise zeigte sich in der Gruppe mit dem Inzentiv in den ersten Monaten eine stärkere Blutdruckkontrolle als in der Kontrollgruppe. Nach zwölf Monaten war aber kein Vorteil mehr erkennbar. Hier stellt sich die Frage nach der ausreichenden Kompensation, um einen nachhaltigen Effekt zu erzielen.

Grundsätzlich ist eine jahrelange gute Kontrolle des Blutdrucks eines der effektivsten Mittel, um Endorganschäden zu verhindern und damit das Gesundheitssystem in nicht unerheblicher Weise zu entlasten. Eine präventive frühe Intervention wäre sicherlich ideal. Im Bereich der zahnärztlichen Leistungen beispielsweise gibt es schon seit Jahrzehnten eine Art Prämienprinzip in Form der Bonushefte. Warum nicht auch ein Bonusheft für eine effektive Blutdruckkontrolle?

Ihr Prof. Prof. h.c. Dr. Markus van der Giet
Vorstandsvorsitzender Deutsche Hochdruckliga e.V.
Charité – Universitätsmedizin Berlin