Schwangerschaftskomplikationen wie Präeklampsie oder fetale Wachstumsverzögerungen hängen mit dem Blutdruck zusammen. Kann man bei einer Normotonie im ersten Trimenon also Entwarnung geben? Nein, sagt eine aktuelle Studie. Es kommt auch auf den peripheren Gefäßwiderstand an.
Der mittlere arterielle Blutdruck ergibt sich aus dem Produkt aus Herzzeitvolumen (Cardiac Output, CO) und totalem peripherem Gefäßwiderstand (total peripheral resistence, TPR). Erhöhungen des einen und/oder anderen Parameters können eine Hypertonie bedingen, erinnert das Team um Prof. Dr. Wilfried Gyselaers vom Krankenhaus Oost-Limburg im belgischen Genk. Die Forscher vermuteten, dass bei einer Schwangerschaft im ersten Trimenon bereits eine leichte Dysbalance zwischen beiden Markern genügt, um die Patientin und ihr ungeborenes Kind in Gefahr zu bringen – selbst wenn der messbare Blutdruck im Normbereich liegt.
In ihrer Studie erfassten sie daher im ersten Schwangerschaftsdrittel neben dem Blutdruck auch CO und TPR über eine nicht-invasive Impedanzkardiografie. Anhand der beiden Parameter wurden 961 normotensive Schwangere in drei Gruppen eingeteilt: CO und TPR normal, CO erhöht und TPR normal, CO normal und TPR erhöht. Die Gestationsrisiken dieser Gruppen wurden für verschiedene Blutdruckgrenzwerte, die Fachgesellschaften bzw. die WHO vorgeben, ermittelt: < 140/90 mmHg, < 130/85 mmHg und < 130/80 mmHg.
Insgesamt lagen bei weniger als der Hälfte aller Frauen beide Marker im Normbereich unterhalb der 75. Perzentile. Zog man eine Blutdruckgrenze von < 140/90 mmHg heran, hatten Schwangere mit einem TPR über der 75. Perzentile im Vergleich zu denjenigen mit normalen CO- und TPR-Werten ein höheres Risiko für Gestationshypertonien (Odds Ratio, OR 3,8), spät auftretende Präeklampsien (OR 3,1) sowie für zu kleine bzw. untergewichtige Neugeborene (OR 1,8). Bei auffälligem TPR und einem Blutdruck < 130/85 mmHg blieben die Risiken für Hypertonie und Small-for-Gestational-Age-Babys bestehen. Kein Unterschied im Schwangerschaftsverlauf fand sich für Frauen, die ausschließlich ein erhöhtes Herzzeitvolumen aufwiesen.
Die Ergebnisse zeigen, dass insbesondere ein erhöhter peripherer Widerstand in der Gravidität mit vermehrten Gefahren für Mutter und Kind einhergeht. Die subklinische Abweichung kann durch eine Normotonie maskiert werden. Die Autoren raten dazu, CO und TPR ergänzend zur routinemäßigen Blutdruckmessung zu ermitteln.
Quelle
Gyselaers W et al. Hypertension 2023; 80: 343–351; doi: 10.1161/HYPERTENSIONAHA.122.19346
Kurz kommentiert
Die vorliegende Arbeit zeigt, dass im ersten Trimenon bereits eine Imbalance kardialer Parameter bei gleichzeitigem normalem Blutdruck eine erhöhte Komplikationsrate im Schwangerschaftsverlauf mit sich bringt. Konkret untersucht wurden die Auswirkungen einer erhöhten Herzleistung und eines erhöhten peripherer Widerstands. Interessant hierbei ist, dass der periphere Widerstand offenbar die größere Rolle spielt. Die Messung dieses Parameters ebenso wie die der kardialen Leistung lässt sich mit einer nicht-invasiven Impedanzkardiografie sehr gut durchführen und wäre sicherlich eine gute Ergänzung zur Risikoabschätzung im Rahmen der Gravidität.
Ihr Prof. Prof. h.c. Dr. Markus van der Giet
Vorstandsvorsitzender Deutsche Hochdruckliga e.V.
Charité – Universitätsmedizin Berlin