Die Blutdruckvariabilität spiegelt das kardiovaskuläre Risiko wider. Das gilt auch für Langzeit-Schwankungen, wie eine aktuelle Studie verdeutlicht, die sich speziell mit den Auswirkungen auf die Nierenfunktion beschäftigte.
Kurzfristige Schwankungen des Blutdrucks, z.B. von Herzschlag zu Herzschlag oder innerhalb eines Tages, sind ein unabhängiger Risikofaktor für Endorganschäden und kardiovaskuläre Ereignisse. Wie aber sieht es bei einer Blutdruckvariabilität aus, die sich erst in größeren zeitlichen Abständen zeigt, konkret zwischen einzelnen Arztbesuchen? Dies untersuchte das Team um Dr. Yang Wang vom Xi’an Jiaotong University Health Science Center.
Die Forscher nutzten Daten der laufenden Hanzhong Adolescent Hypertension Study, die 1987 mit Kindern und Heranwachsenden im Alter zwischen 6 und 18 Jahren begann. Über einen Zeitraum von 30 Jahren fanden bei sechs Arztbesuchen Blutdruckmessungen statt. Die Variabilität wurde über die Standardabweichung und die durchschnittliche wirkliche Variabilität (average real variability), die den Durchschnitt zwischen aufeinanderfolgenden Messungen berücksichtigt, festgehalten.
Als Endpunkte zogen die Autoren subklinische Nierenschäden (subclinical kidney damage, SKD) und Albuminurie heran. Denn obwohl eine chronische Nierenerkrankung im frühen Stadium meist keine Symptome verursacht, erhöht sie von Anfang an das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse und Mortalität. Die Albuminurie ist zudem ein früher Marker für eine endotheliale Dysfunktion. Den SKD definierten die Forscher als eine eGFR zwischen 30 und 60 ml/min/1,73m² oder einen Anstieg des Albumin-Kreatinin-Quotienten im Urin auf mindestens 30 mg/g. Letzteres entsprach auch dem Kriterium für eine Albuminurie.
Im Laufe des Follow-ups erlitten 204 der 1771 Teilnehmer einen SKD. Nach Adjustierung auf demographische und klinische Merkmale sowie den mittleren Blutdruck gingen erhöhte Standardabweichungen und durchschnittliche wirkliche Variabilität mit einem signifikant größeren Risiko für subklinische Nierenschäden im Erwachsenenalter einher. Der Zusammenhang galt für den systolischen, diastolischen und mittleren arteriellen Druck. Eine ausgeprägtere Langzeitvariabilität führte darüber hinaus zu einem höheren Albuminurie-Risiko.
Die gefundenen Assoziationen waren unabhängig vom mittleren Blutdruck und der kumulativen Blutdrucklast, schreiben die Kollegen. Man solle daher auch die Variabilität zwischen einzelnen Arztbesuchen im Blick behalten, um Kinder und Heranwachsende zu erkennen, denen im späteren Leben eine Nierenerkrankungen drohen könnte.
Quelle
Wang Y et al. Hypertension 2022; 79: 1247–1256; doi: 10.1161/HYPERTENSIONAHA.121.18658
Kurz kommentiert
In der hausärztlichen Praxis wird bei vielen Patienten, die regelmäßig kommen, systematisch der Blutdruck gemessen. Hierbei findet sich bei einigen eine größere Variabilität der Werte als bei anderen. Interessant in der vorliegenden Arbeit ist der sehr lange Beobachtungszeitraum von 30 Jahren, beginnend mit dem 7. bis 19. Lebensjahr. Es zeigte sich, dass u.a. die systolische Blutdruckvariabilität eine hohe Relevanz für das Entstehen von renalen und vaskulären Endorganschäden aufweist. Letztendlich haben Patienten mit der höchsten systolischen Variabilität über die Jahre das höchste Risiko für Endorganschäden. Gegebenenfalls muss diese erhöhte Variabilität auch Ausdruck einer erhöhten kumulativen Blutdrucklast sein. Die Konsequenz für die Praxis ist, bei Veränderungen des Blutdrucks schon frühzeitig eine potenzielle Hypertonie aufzudecken und dann Maßnahmen zur Begrenzung einzuleiten. Es ist wahrscheinlich, dass viele maskierte Hypertonien auch entsprechend detektiert werden können.
Ihr Prof. Prof. h.c. Dr. Markus van der Giet
Vorstandsvorsitzender Deutsche Hochdruckliga e.V.
Charité – Universitätsmedizin Berlin