Aktuelles

Für Mediziner

Nicht nur von Wert zu Wert hangeln

TTR spiegelt kardiovaskuläres Risiko bei Hypertonie zuverlässig wider

Eine adäquate antihypertensive Therapie sollte auch die Blutdruckvariabilität adressieren. Das könnte unter Berücksichtigung der Time in Target Range (TTR) gelingen. Je größer diese Zeit ist, desto besser fällt die Prognose von Hypertoniepatienten aus. Das gilt zumindest bei begleitender Herzinsuffizienz.

Ein dynamischer Parameter wie der Blutdruck lässt sich nur begrenzt über punktuelle Werte abbilden. Insbesondere geben Einzelmessungen oder Mittelwerte das kardiovaskuläre Risiko nicht ausreichend wieder. Prognostisch bedeutsamer scheint die sogenannte Time in Target Range (TTR) zu sein – also die Zeit, in der sich der Blutdruck im Zielbereich befindet. Dr. Kangyu Chen vom First Affiliated Hospital der University of Science and Technology of China in Hefei und Kollegen untersuchten nun den Stellenwert der TTR bei Hypertoniepatienten mit Herzinsuffizienz.

Die Forscher führten dazu eine Post-hoc-Analyse der beiden Studien TOPCAT* und BEST** durch, die herzinsuffiziente Patienten mit erhaltener bzw. reduzierter Ejektionsfraktion eingeschlossen hatten. Das durchschnittliche Follow-up der jeweiligen Studien lag bei 3,3 und 2,0 Jahren. Unter allen Teilnehmern fanden sich 4.789 mit Hypertonie. Aus den gepoolten Daten wurde in der aktuellen Auswertung für jeden Patienten die TTR berechnet. Als Zielfenster galt ein systolischer Blutdruck zwischen 120 und 130 mmHg. Es ergaben sich vier gleich große Gruppen mit unterschiedlicher TTR: 0 % bis < 2 %, 2 bis < 19 %, 19 bis <38 % und 38 bis 100 %.

Bei Patienten im obersten Quartil traten kardiovaskuläre Ereignisse im Vergleich zum untersten signifikant seltener auf. Nach Adjustierung auf diverse Störfaktoren betrugen die Risikoreduktionen für das primäre Outcome (kardiovaskulärer Tod oder Herzinsuffizienz-Hospitalisierung) sowie für die sekundären Endpunkte kardiovaskuläre Mortalität, Hospitalisierung wegen Herzinsuffizienz, Gesamtmortalität und jegliche Hospitalisierung ungefähr 30 % (Hazard Ratios 0,71; 0,68; 0,70; 0,69; 0,76). Die Ergebnisse ließen sich in einer Sensitivitätsanalyse mit einem systolischen Zielbereich zwischen 110 und 130mmHg und einem diastolischen zwischen 70 und 80 mmHg bestätigten. Zudem zeigte sich eine lineare Beziehung zwischen TTR und primärem Endpunkt.

Je höher die TTR bei Patienten mit Hypertonie und Herzinsuffizienz, desto besser die Prognose, schlussfolgern die Autoren. Ihrer Meinung nach unterstreicht die Studie, wie wichtig das Monitoring und der Erhalt einer guten Blutdruckkontrolle im Alltag ist. Da die TTR das Ausmaß der Blutdruckvariabilität über die Zeit reflektiert, sollte ein hoher Wert durch regelmäßige Messungen in der Praxis oder zu Hause im Sinne der kardiovaskulären Risikoreduktion angestrebt werden.

* Treatment of Preserved Cardiac Function HF with an Aldosterone Antagonist
** Beta-Blocker Evaluation of Survival Trial

Quelle:
Chen K et al. JACC: Heart Failure 2022; 6: 369-379; doi: 10.1016/j.jchf.2022.01.010

Kurz kommentiert:
Die Blutdruckvariabilität spielt eine bedeutende Rolle bei der Entstehung kardiovaskulärer Ereignisse. In der vorliegenden Studie wurde untersucht, wie eine möglichst konstante Blutdruckeinstellung zur Reduktion von kardiovaskulären Endpunkten beiträgt. Die Arbeit ist für den Alltag enorm relevant. Patienten sollten einen möglichst stabil eingestellten und kontrollierten Blutdruck haben, damit u.a. die Risiken für eine Herzinsuffizienzentstehung bzw. deren Progression minimiert werden.

Ihr Prof. Prof. h.c. Dr. Markus van der Giet
Vorstandsvorsitzender Deutsche Hochdruckliga e.V.
Charité – Universitätsmedizin Berlin