Die ersten acht Pandemiemonate hatten messbare Folgen für Patienten mit Hypertonie. Unter anderem nahm ihr mittlerer systolischer Druck um ca. 1,8 mmHg zu – ein auf Bevölkerungsebene durchaus relevanter Anstieg.
Die Blutdruckkontrolle von Hypertoniepatienten lässt seit jeher zu wünschen übrig. Nur einer von fünf Erwachsenen bleibt konstant im empfohlenen Zielbereich, schreiben Dr. Hiroshi Gotanda vom Cedars-Sinai Medical Center in Los Angeles und Kollegen. Die Coronapandemie könnte dieses Problem noch verstärkt haben, so die Sorge vieler Mediziner. Schließlich kamen während der Lockdowns einige Faktoren zusammen, die den Blutdruck negativ beeinflussen: verminderte körperliche Aktivität, ungesunde Ernährung, psychosozialer Stress, etc. Zudem war der Zugang zu Gesundheitseinrichtungen erschwert.
Die US-amerikanischen Forscher wollten die Auswirkungen der Pandemie auf den Blutdruck quantifizieren und werteten elektronische Krankenakten von drei großen Gesundheitsorganisationen bzw. -einrichtungen in Los Angeles, New York und New Orleans aus. Sie verglichen die Daten von insgesamt 137.593 Hypertoniepatienten aus der präpandemischen Phase (August 2018 bis Januar 2020) mit denen aus dem ersten großen Lockdown (April 2020 bis November 2020).
Zu Beginn der Pandemie brach die Zahl der erfassten Blutdruckmessungen pro Woche drastisch ein. Zwar stieg sie im Verlauf wieder schrittweise an, erreichte aber nicht mehr das präpandemische Niveau. Im Vergleich zu den Jahren vor dem SARS-CoV-2-Ausbruch nahmen der mittlere systolische und diastolische Druck während der Lockdownphase signifikant um 1,79 mmHg bzw. 1,3 mmHg zu. Auch wenn diese Erhöhungen auf individueller Ebene gering erscheinen mögen, so sind sie auf Bevölkerungsebene von großer Bedeutung, betonen die Autoren. Bereits ein Anstieg von 2 mmHg geht bekanntlich mit einem erhöhten Risiko u.a. für Herzinfarkte und Schlaganfälle einher.
Von August 2018 bis Januar 2020 fand sich ein Trend hin zu einer besserer Blutdruckkontrolle (+ 3,19 Prozentpunkte/Jahr). Dieser flachte während der ersten acht Pandemiemonate auf 0,27 Prozentpunkte/Jahr ab. Der Anteil an Patienten mit gut eingestellten Werten – definiert als ein Druck < 140/90 mmHg – sank im Lockdown signifikant um 3,43 Prozentpunkte. Trotz soziodemographischer Unterschiede zeigten sich über die drei Erfassungsstandorte hinweg ähnliche Entwicklungen.
Immerhin sprach der Wiederanstieg der dokumentierten Blutdruckmessungen nach Pandemieausbruch für eine schnelle Reaktion des Gesundheitssystems, z.B. in Form von telemedizinischen Angeboten. Der einfache Zugang zur Telemedizin zusammen mit einem guten Selbstmonitoring könnte auch in zukünftigen Krisen die negativen Folgen für den Blutdruck abfedern, schlussfolgern die Kollegen.
Quelle
Gotanda H et al. Hypertension. 2022; 79: 2733-2742; doi: 10.1161/HYPERTENSIONAHA.122.19861
Kurz kommentiert
Eine spannende Arbeit, die beleuchtet, wie sich die Blutdruckkontrolle durch die Coronapandemie verändert hat. Sicherlich sind die Methoden der Telemedizin und die Nutzung von Apps eine gute Idee, um ungünstige gesundheitliche Effekte in ähnlichen Zeiten zu verhindern. Die pandemiebedingte schlechtere Blutdruckeinstellung wird für die betroffene Bevölkerung aber noch in Jahren negative Konsequenzen haben, z.B. in Form eines erhöhten Risikos für kardiovaskuläre Ereignisse.
Ihr Prof. Prof. h.c. Dr. Markus van der Giet
Vorstandsmitglied Deutsche Hochdruckliga e.V.
Charité – Universitätsmedizin Berlin