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Für Mediziner

Smartphone-Monitoring überbewertet

App-assistierte Blutdrucküberwachung kann eine 24-Stunden-Blutdruckmessung nicht ersetzen.

Außerhalb von Praxen gemessene Blutdruckwerte korrelieren besser mit dem kardiovaskulären Risiko als im Sprechzimmer ermittelte. Aber können App-assistierte Heimmessungen das Monitoring wirklich zuverlässig unterstützen? Nein, wie ein Direktvergleich mit dem bisherigen Standard zeigt.

Als Referenzstandard für die ambulante Blutdruckkontrolle gilt die 24-Stunden-Blutdruckmessung. Jedoch ist diese Methode belastend, kostenintensiv und nicht immer verfügbar. Ein elektronisches Messgerät, das die Blutdruckwerte via Bluetooth an eine App auf dem Smartphone oder Tablet übermittelt, klingt nach einer einfachen Alternative. Wie zuverlässig ein solches System im Vergleich zum Check in der Praxis und der 24-Stunden-Messung ist, untersuchten Eline Groenland vom Department of Vascular Medicine am University Medical Center Utrecht und Kollegen in der AMUSE-BP*-Studie.

An der Cross-over-Untersuchung nahmen 113 Patienten mit bekanntem Hypertonus im mittleren Alter von 61 Jahren teil. 90 % von ihnen standen unter antihypertensiver Medikation. Im Rahmen der Randomisierung wurden sie einem von zehn Clustern zugewiesen. In jedem Studiencluster gab es fünf Blutdruckmessmethoden, die über einen Zeitraum von drei Wochen in unterschiedlicher Reihenfolge eingesetzt wurden:

  • ambulante 24-Stunden-Messung
  • App-assistierte häusliche Selbstmessung (morgens und abends an sieben aufeinanderfolgenden Tagen)
  • automatische Messung in der Praxis (dreimal hintereinander) unter Aufsicht einer Assistentin
  • nicht überwachte dreimalige automatische Messung in der Praxis
  • nicht überwachte automatische Messung in der Praxis über 30 Minuten (insgesamt sechs Messungen mit fünfminütigen Pausen)

Durchschnittlich lag der Blutdruck in der 24-Stunden-Messung bei 126/73 mmHg, in der App-assistierten Kontrolle zu Hause bei 141/82 mmHg, was einer beträchtlichen Überschätzung um ca. 15/8 mmHg entspricht. Die Durchschnittswerte der Praxiskontrollen betrugen 137/81 mmHg (Fachpersonal anwesend), 135/81 mmHg (nicht überwacht) bzw. 134/80 mmHg (nicht beaufsichtigt über 30 Minuten).

Immerhin: Die diagnostische Übereinstimmung zwischen Smartphone-assistierter und 24-Stunden-Messung war für die anhaltende und maskierte Hypertonie sowie für den Weißkittelhochdruck moderat. Die App-Unterstützung bot ein hohes Maß an Sensitivität (78–91 %) und negativen Vorhersagewerten (90–97 %) für die Diagnostik der persistierenden und maskierten Hypertonie. Man könnte die Heimmessung inkl. App den Autoren zufolge durchaus als Screening hierfür einsetzen. Letztlich ergänze die Methode das 24-Stunden-Monitoring aber eher als es zu ersetzen.

* Ambulant Versus Unattended and Attended Office Versus Self-Home Blood Pressure Measurement. Groenland EH et al. Hypertension 2022; 79: 2373–2382. doi: 10.1161/HYPERTENSIONAHA.122.19685

Kurz kommentiert

Prinzipiell würde man denken, dass durch die systematische Nutzung der Heimblutdruckmessung mit Anwendung einer App die Langzeitmessung überflüssig wird. Die Studie aus den Niederlanden zeigt aber sehr beeindruckend, dass die App-assistierte Kontrolle zwar Zusatzinformationen liefern kann, den Goldstandard der 24-Stunden-Messung zum Überprüfen eines robust eingestellten Blutdrucks jedoch nicht ersetzt. Die Heimmessung mit App kann vor allem dazu beitragen, eine maskierte Hypertonie zu identifizieren und möglicherweise die Adhärenz zu steigern.

Ihr Prof. Dr. Markus van der Giet
Vorstandsmitglied Deutsche Hochdruckliga e.V.
Charité – Universitätsmedizin Berlin