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Für Mediziner

Das Risiko summiert sich

Bei Diabetespatienten mit Hypertonie zählt die kumulative Blutdruck-Last.

Einstellung und Kontrolle einer Hypertonie orientieren sich gemeinhin an einzeln gemessenen Werten. Diese spiegeln das kardiovaskuläre Risiko aber nur unzureichend wider. Besser wäre es, die kumulative systolische Last beim Management zu berücksichtigen.

Ein einzeln gemessener Blutdruckwert in der Praxis sagt nicht zwangsläufig etwas über die Blutdruckkontrolle in den Wochen davor aus. Will man das tatsächliche kardiovaskuläre Risiko eines Patienten abschätzen, muss man sich die Exposition gegenüber erhöhten systolischen Werten genauer anschauen – unter Berücksichtung von Außmaß und Dauer der Hypertonie. Als Parameter hierfür eignet sich die kumulative systolische Blutdrucklast, wie Dr. Nelson Wang vom George Institute for Global Health UNSW in Sydney und Kollegen herausfanden.

Dieser Parameter ist definiert als Fläche unter der Kurve (area under the curve) und wird in mmHg pro Zeit ausgedrückt. In einer Post-hoc-Analyse der ADVANCE-ON*-Studie schauten sich Dr. Wang und Kollegen den Zusammenhang zwischen der kumulativen Last als Langzeitmarker und kardiovaskulären Endpunkten bei Patienten mit Typ-2-Diabetes an. Eingeschlossen waren 9.338 Teilnehmer. Die kumulativen Werte berechneten sich aus sechs Blutdruckmessungen, die im Verlauf von 24 Monaten stattgefunden hatten. Als systolischer Grenzwert galt eine Druck von 130 mmHg.

Im medianen Follow-up von 7,6 Jahren verzeichnete man 1.469 schwere kardiovaskuläre Ereignisse sowie 1.615 Todesfälle, davon 660 kardiovaskulärer Ursache. Jede Erhöhung der kumulativen Blutdrucklast um eine Standardabweichung ging mit einem 14%igen Anstieg schwerer Herz-Kreislauf-Ereignisse einher (Hazard ratio, HR 1,14). Die Gesamtmortalität stieg pro Standardabweichung um 13 % (HR 1,13), die kardiovaskuläre um 21 % (HR 1,21).

Die kumulative Blutdrucklast stellte sich als unabhängiger Prädiktor heraus. In der prädiktiven Aussagekraft übertraf sie die traditionellen Risikoparameter mittlerer systolischer Druck, Time at Target (TITRE) und Variabilität zwischen ambulanten Messungen.

Die Ergebnisse unterstreichen die Bedeutung von Ausmaß und Dauer eines erhöhten Blutdrucks zur Ermittlung des kardiovaskulären Risikos, betonen Dr. Wang und Kollegen. Mehr noch: Sie verdeutlichen den Autoren zufolge auch, dass man einer Hypertonie möglichst früh entgegenwirken sollte. Denn das Risiko für Herz-Kreislauf-Erkrankungen wächst mit der Zeit weiter an.

 * Action in Diabetes and Vascular Disease: Preterax and Diamicron Modified Release Controlled Evaluation - Observational Study

Quellen:

Wang N et al. J Am Coll Cardiol 2022;80:1147–1155; doi: 10.1016/j.jacc.2022.06.039

Kurz kommentiert

Die Arbeit von Wang et al. zeigt eindrucksvoll, wie wichtig die frühe Therapie einer arteriellen Hypertonie ist. In der Studie führte eine Exposition gegenüber erhöhten Blutdruckwerten trotz versuchter Optimierung später weiterhin zu einem vermehrten kardiovaskulären Risiko. Zur Risikoreduktion kommt es daher darauf an, den Blutdruck so früh wie möglich nach Erkennen der Hypertonie mit guten Zielwerten einzustellen.

Ihr Prof. Prof. h.c. Dr. Markus van der Giet
Vorstandsmitglied Deutsche Hochdruckliga e.V.
Charité – Universitätsmedizin Berlin