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Interventionelle Verfahren zur Blutdrucksenkung – wo stehen wir heute?

Mit der renalen Denervation lässt sich eine Blutdrucksenkung erreichen, die in etwa der eines Antihypertensivums entspricht. Noch muss die Endauswertung einer großen Studie abgewartet werden, aber wenn sich die vorläufigen Ergebnisse bestätigen, wird nach Ansicht von Prof. Dr. med. Joachim Weil, Lübeck, Mitglied im Vorstand der Deutschen Hochdruckliga e.V. DHL®│Deutschen Gesellschaft für Hypertonie und Prävention, das Verfahren bald einen festen Platz im Therapiealltag einnehmen. Bei minimaler Komplikationsrate erfolgt eine konstante Blutdrucksenkung, und zwar unabhängig von der Therapietreue des Patienten.

Bei der renalen Denervation (RDN) werden bei einen minimal-invasiven Eingriff die Stressnervenenden in den Nierenarterien verödet, um damit den Blutdruck gezielt zu senken. Diese Methode kommt vor allem für Patienten in Frage, deren Hochdruck sich nicht medikamentös einstellen lässt. Das Verfahren war allerdings nach den negativen Ergebnissen der Hypertonie-Studie Symplicity HTN-3 [1] stark unter Druck geraten. Hier waren nach dem Screening von 1.441 Patienten 535 in 88 Studienzentren eingeschlossen und nach 2:1-Randomisierung entweder mit einer RDN oder einem Schein-Eingriff behandelt worden. Nach sechs Monaten bestand kein Unterschied im systolischen 24-Stunden-Blutdruck zwischen RDN- und Kontroll (Sham)-Gruppe. Die Studie wurde allerdings auch von vielen Experten kritisiert, denn der fehlende Effekt könnte auch der Ungeübtheit der Operateure geschuldet gewesen sein: Viele Behandler hatten nur eine einzige RDN durchgeführt.

Neue Erkenntnisse wurden nun im Rahmen des SPYRAL-HTN-Studienprogramms gesammelt. Die SPYRAL HTN-Off MED-Studie [2] untersuchte Patienten, die keine Blutdrucksenker einnahmen und einen milden bzw. moderaten Blutdruck aufwiesen. Wie sich zeigte, brachte die RDN in der Praxismessung einen Rückgang von 10 mm Hg systolisch und 5,3 mm Hg diastolisch im Vergleich zur Kontrollgruppe und in der 24-Stunden-Langzeitblutdruckmessung einen Rückgang um 5,5 mm Hg systolisch und 4,8 mm Hg diastolisch. Diese Studie brachte den Nachweis, dass das Verfahren funktioniert – denn die beobachteten blutdrucksenkenden Effekte können nicht einer Begleitmedikation zugeschrieben werden. „Der Effekt der renalen Denervation entspricht also dem eines medikamentösen Blutdrucksenkers“, kommentiert Prof. Dr. med. Joachim Weil, Lübeck, Mitglied im Vorstand der Deutschen Hochdruckliga e.V. DHL®│Deutschen Gesellschaft für Hypertonie und Prävention. Auch die SPYRAL HTN-ON MED-Studie [3] zeigte eine signifikante Senkung der Blutdruckwerte. In dieser Studie wurden bislang 80 Patienten ausgewertet, bei 38 war eine renale Denervation durchgeführt worden, bei 42 ein Scheineingriff. Der Unterschied im systolischen Wert betrug in der Gruppe, die denerviert worden war, in der 24-Stunden Langzeitblutdruckmessung – 7,4 mm Hg und diastolisch -4,1 mm Hg.

Dieses Studienergebnis wurde auch in einer Parallelstudie, der RADIANCE-HTN SOLO-Studie [4], bestätigt, bei der die Denervation mittels endovaskulärem Ultraschall erfolgte (nicht mittels Radiofrequenzablation wie in SPYRAL HTN-ON MED und SPYRAL HTN-OFF MED). In der „SOLO“-Studie wurden 146 Patienten randomisiert, 74 von ihnen denerviert und 72 einem Scheinverfahren unterzogen. Auch hier zeigte sich in der Interventionsgruppe ein signifikanter Blutdruckabfall in ähnlicher Größenordnung wie in den SPYRAL-Studien (mittlere systolische Blutdruckabnahme betrug in der Interventionsgruppe 8,5 mm Hg).

„Bei der SPYRAL HTN-ON MED-Studie handelt es sich jedoch um eine Auswertung der ersten 80 von insgesamt fast 500 Patienten. Wir müssen die Gesamtauswertung abwarten, bevor wir die renale Denervation abschließend beurteilen können“, erklärte Professor Weil auf dem 42. Wissenschaftlichen Kongresses der Deutschen Hochdruckliga e.V. DHL®│Deutschen Gesellschaft für Hypertonie und Prävention: „Die Studienergebnisse sind aber bisher positiv und wenn sich diese Ergebnisse bestätigen, wird die renale Denervation einen festen Platz im Therapiealltag einnehmen.“

Nach Ansicht des Experten hat das Verfahren gegenüber der medikamentösen Therapie auch verschiedene Vorteile: Durch den Eingriff kann der Bluthochdruck anhaltend reduziert werden und der Patient erfährt eine konstante Blutdrucksenkung. Wird hingegen bei der medikamentösen Therapie eine Einnahme vergessen, kann es zu Schwankungen, u.U. auch zu gefährlichen Blutdruckspitzen kommen. „Die Therapietreue ist ein großes Problem, wir müssen davon ausgehen, dass allein 60% der Patienten nach einem Jahr nicht mehr ihre Medikamente einnehmen.“ Auch sei das Verfahren praktisch nebenwirkungsfrei, was vor dem Hintergrund neuerer Berichte zu potenziell krebserregenden Langzeitwirkungen einiger Blutdrucksenker zunehmend als vorteilhaft wahrgenommen wird. „Umgekehrt ist das Risiko der renalen Denervation als äußerst gering einzustufen – das haben bislang alle Studien stringent gezeigt“, betonte Professor Weil.

Eine Alternative zur renalen Denervation könnte perspektivisch auch die Stimulation der Baro-Rezeptoren mit einem Blutdruck-Schrittmacher zur dauerhaften Blutdrucksenkung sein.

Quellen

  1. Böhm M, Mahfoud F, Ukena C et al. First report of the Global SYMPLICITY Registry on the effect of renal artery denervation in patients with uncontrolled hypertension. Hypertension 2015; 65 (4): 766-74
  2. Townsend RR, Mahfoud F, Kandzari DE et al. Catheter-based renal denervation in patients with uncontrolled hypertension in the absence of antihypertensive medications (SPYRAL HTN-OFF MED): a randomised, sham-controlled, proof-of-concept trial. Lancet 2017; 390 (10108): 2160-2170
  3. Kandzari DE, Böhm M, Mahfoud F et al. Effect of renal denervation on blood pressure in the presence of antihypertensive drugs: 6-month efficacy and safety results from the SPYRAL HTN-ON MED proof-of-concept randomised trial. Lancet 2018; 391 (10137): 2346-2355
  4. Azizi M, Schmieder RE, Mahfoud F et al. Endovascular ultrasound renal denervation to treat hypertension (RADIANCE-HTN SOLO): a multicentre, international, single-blind, randomised, sham-controlled trial. Lancet 2018; 391 (10137): 2335-2345

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