Amsterdam. In Tierversuchen konnte die kurzkettige Fettsäure Butyrat den Blutdruck senken. Beim Menschen scheint das nicht zu funktionieren – eher im Gegenteil.
In der Pathogenese der Hypertonie spielen zahlreiche Faktoren eine Rolle. Neben genetischer Veranlagung, Bewegungsmangel und Rauchen könnte auch das Darmmikrobiom beteiligt sein. Darmmikroben fermentieren Ballaststoffe und produzieren dadurch kurzkettige Fettsäuren, darunter Butyrat. In Tierstudien hat Butyrat sowohl blutdrucksenkende als auch blutdrucksteigernde Effekte gezeigt. Dr. Barbara Verhaar vom Department of Vascular Medicine, Amsterdam University Medical Center, und Kollegen haben nun untersucht, wie sich die orale Supplementierung von Butyrat auf Menschen mit Hypertonie auswirkt.
Eingeschlossen in die Studie wurden 23 Männer und Frauen im Alter von 40 bis 65 Jahren, die einen systolischen Druck zwischen 140 und 160 mmHg oder einen diastolischen zwischen 90 und 100 mmHg aufwiesen (entsprechend einer Grad-1-Hypertonie nach der Leitlinie der ESH*). Als Ausschlusskriterien galten u.a. ein BMI > 27 kg/m², Rauchen, die Einnahme von Betablockern, eine sekundäre Hypertonie sowie Herz-Kreislauf-Erkrankungen in der Anamnese. Eventuell eingenommene Blutdruckmedikamente mussten während der Studie und in einer vierwöchigen Auswaschphase davor abgesetzt werden.
Die Teilnehmer wurden auf zwei Gruppen randomisiert: Die eine nahm über vier Wochen täglich 3,6 g Natriumbutyrat ein, verteilt auf je 13 Kapseln morgens und abends. Die andere erhielt die gleiche Anzahl von Kapseln mit Placebo (Natriumchlorid). Primärer Endpunkt war der Tages-Blutdruck in der 24-Stunden-Messung. Sie wurde zu Beginn und nach vier Wochen durchgeführt. Um evtl. längerfristige Effekte der Fettsäure zu identifizieren, erfolgte eine Woche nach Beendigung der Butyrateinnahme eine weitere RR-Kontrolle.
Der durchschnittliche Basisblutdruck betrug 143 mmHg systolisch und 93 mmHg diastolisch. In der Verumgruppe lagen nach vier Wochen tagsüber sowohl der systolische als auch der diastolische Blutdruck signifikant höher als in der Placebogruppe (systolisch +9,63 mmHg, diastolisch +5,08 mmHg). Eine Woche nach Beendigung der Butyrateinnahme glichen sich die Blutdruckwerte beider Behandlungsarme wieder an. Die Forscher hatten auch die Butyratspiegel gemessen: Sie stiegen unter der Substitution im Plasma an, nicht jedoch im Stuhl – was die intestinale Absorption der Fettsäure unterstreicht.
Nach diesen Ergebnissen hat die Einnahme von Butyratkapseln keinen positiven Einfluss auf die Hypertonie beim Menschen, schlussfolgern die Autoren. Stattdessen fand sich darunter sogar ein Anstieg von systolischem und diastolischem Druck. Dies sollte sowohl bei der Zufuhr entsprechender Nahrungsergänzungsmittel als auch in zukünftigen Interventionsstudien mit der Fettsäure beachtet werden, warnen die Kollegen.
Quelle: Verhaar BJH et al. Hypertension, 2024; 81: 2124–2136. doi: 10.1161/HYPERTENSIONAHA.123.22437
Kommentar
Seit Längerem ist bekannt, dass das Darmmikrobiom Auswirkungen auf den Blutdruck hat. Hierbei spielen unter anderem die kurzkettigen Fettsäuren (z.B. Butyrat) eine Rolle. In Deutschland ist Natriumbutyrat als Nahrungsergänzungsmittel frei verkäuflich, was die Bedeutung dieser Studie unterstreicht. Eine frühere Publikation hatte gezeigt, dass eine präbiotische Intervention mit acetylierter und butyrilierter Maisstärke mit hohem Amylosegehalt (HAMSAB) einen blutdrucksenkenden Effekt aufweist . Im Gegensatz dazu sind die Ergebnisse der aktuell vorliegenden Arbeit ernüchternd.
Schaut man sich die beiden Studien etwas genauer an, lassen sich mögliche Erklärungen für die unterschiedlichen Resultate finden. Die dokumentierten Plasmabutyratspiegel waren bei der oralen Natriumbutyratgabe viel niedriger als bei der HAMSAB-Supplementierung. Die Aufnahme von ersterem erfolgt hauptsächlich im Dünndarm und nicht, wie bei HAMSAB, im Dickdarm, wo sich die Darmmikrobiota aufhält. Daher kann sich die Wirkung von oralem Butyrat auf den Blutdruck von der des im Dickdarm gebildeten Butyrats unterscheiden
Eine neuere Theorie lautet außerdem, dass ein Teil der Vorteile von kurzkettigen Fettsäuren durch ihre Fähigkeit bedingt ist, den pH-Wert im Darm zu senken . HAMSAB senkte den pH-Wert im Darm. Dagegen werden orale Natriumbutyrat-Präparate oftmals durch Zugabe von Butyrat zu Natriumhyrid hergestellt, was zu einer alkalischen Verbindung führt
Zusammenfassend lässt sich sagen, dass die Bedeutung des Darmmikrobioms und der kurzkettigen Fettsäuren für die Blutdruckregulation nicht infrage gestellt werden soll. Eine Supplementierung durch orales Natriumbutyrat bei Menschen mit Bluthochdruck sollte jedoch vermieden werden.
Ihr Prof. Dr. Christian Ott
Vorstandsmitglied der Deutschen Hochdruckliga
Klinikum Nürnberg