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Zentraler Blutdruck – Besser als Oberamblutdruck?

In der folgenden Studie zeigt sich, dass der zentrale systolische Blutdruck ein ebenso guter Prädiktor für das kardiovaskuläres Risiko ist wie der peripher gemessene brachiale systolische Blutdruck.

referiert durch M. van der Giet, Berlin

Seit Jahren gibt eine intensive Diskussion, ob man den zentralen Blutdruck als wichtigen Parameter braucht, um das kardiovaskuläre Risiko für Patientinen/Patienten noch besser zu identifizieren. Der zentrale Blutdruck kann seit ca. 20 Jahren mit Hilfe von nicht-invasiven Pulswellenanalyse-Geräten und einer Transferfunktion vermessen werden. In einer Subanalyse der ASCOT-Studie, der sogenannten CAFE-Studie aus dem Jahr 2006, wurde gezeigt, dass bei gleicher peripherer Blutdruckeinstellung durch eine Kombination aus Atenolol und Thiazid der zentrale systolische Blutdruck gegenüber einer Kombination aus Perindopril und Amlodipin erhöht ist und auch eine schlechtere Risikoreduktion begründet. Aber es ist bisher nicht klar, ob ein zentraler Blutdruck hier noch einen besonderen Einfluss auf kardiovaskuläre Ereignisse hat.

In der jetzt vorgestellten prospektiven Untersuchung aus Kanada wurden 13.461 Teilnehmer der CARTaGENE Datenbank untersucht. Alle Studienteilnehmer hatten eine regelmäßige zentrale und auch periphere Blutdruckmessung. Die zentrale Blutdruckmessung wurde tonometrisch mittels Sphygmocor durchgeführt. Keiner der Patientinnen/Patienten hatte zu Beginn der Studie ein zurückliegendes kardiovaskulärer Ereignis und auch keine antihypertensive Medikation. Es traten in der beobachteten Gruppe 1.327 kardiovaskuläre Ereignisse ein über einen medianen Zeitraum von 8,8 Jahren. Mit steigendem peripher systolischem Blutdruck, aber auch mit zentral systolischen Blutdruck stieg das Risiko für kardiovaskuläre Ereignisse an. Patienten mit einem kardiovaskulären Ereignis hatten im Durchschnitt 5 mm Hg höhere systolische periphere wie auch zentrale Blutdruckwerte im Vergleich zu Patienten ohne Ereignis. In einer multivariaten COX-Regressions-Analyse für die Assoziation der beiden Blutdruckparameter und die Inzidenz von kardiovaskulären Ereignissen zeigt sich, eine Hazard Ratio von 1.15 (95%KI 1.09 – 1.22, p<0.001) für den peripheren systolischen Blutdruck und von 1.16 (95%KI 1.10-1.22, p<0.001) für den zentralen systolischen Blutdruck.

In dieser großen epidemiologischen Studie zeigt sich, dass der zentrale systolische Blutdruck ein ebenso guter Prädiktor für das kardiovaskuläres Risiko ist wie der peripher gemessene brachiale systolische Blutdruck. Auch wenn sich in der Studie eine Tendenz zeigt, dass der zentrale systolische Blutdruck eine noch bessere Vorhersage-Qualität für kardiovaskuläre Ereignisse hat, so ist der Effekt in der Routine zu klein. Die zentrale Blutdruckmessung macht in der Routine als Prädiktion keinen zusätzlichen Sinn. Die Studie hat auch noch den Grenzwert für den zentralen (112 mm Hg) wie auch peripheren systolischen Blutdruck (121 mm Hg) identifiziert, bei dem das kardiovaskuläre Risiko am geringsten ist.

In der Routine eine zentrale Blutdruckmessung zur Risikoabschätzung zu machen, ist bei auf seltene Indikationen (z.B. isoliert systolische Hypertonie beim Jugendlichen) nicht mit einer Verbesserung für die Patienten verbunden.

Prediction of cardiovascular events by Type I central systolic blood pressure. A prospective study. Lamarche F, Mohsen Agharazii, Madore F, Goupil R. Hypertension 2021; 77: 319 - 327