Die Prävalenz von Bluthochdruck steigt, und zwar besonders rasant in den wirtschaftlich schwachen Regionen Deutschlands. Doch wie erreicht man Menschen, die existenzielle Sorgen haben, mit einer auf die ferne Zukunft ausgerichteten Präventionsbotschaft? Mit guter Information. Zunehmend eine Schlüsselrolle bei der Verbreitung von gesundheitlicher Information und Aufklärung nehmen nach Ansicht der Deutschen Hochdruckliga Betriebsärztinnen/-ärzte oder auch Apothekerinnen/Apotheker ein. „Denn viele junge Menschen haben keine/n Hausärztin/Hausarzt mehr und suchen nur medizinische Hilfe im Krankheitsfall. Die Früherkennung von Bluthochdruck fällt dann oft hinten runter.“
Bluthochdruck ist eine chronische Erkrankung, von der weltweit mehr als eine Milliarde Menschen betroffen sind. Die Prävalenz hat sich zwischen 1990 und 2019 verdoppelt [1] – aufgrund des prognostizierten Bevölkerungswachstums, der zunehmenden (Über-)Alterung der Gesellschaft, aber auch der Zunahme des Körpergewichts wird sogar noch ein weiterer Anstieg erwartet.
Im Jahr 2018 wurde bei 19 Millionen gesetzlich Krankenversicherten (26,3 %) eine Hypertonie diagnostiziert [2]. Die erfreuliche Nachricht: Nicht überall nimmt die Prävalenz gleichermaßen zu. Im Versorgungsatlas des Sozialinstituts für die Kassenärztliche Versorgung in der Bundesrepublik Deutschland [2] ist nachzulesen, dass in den neuen Bundesländern die standardisierte Prävalenz mit 30,3 % höher lag als in den alten Ländern (24,0 %). Darüber hinaus zeigte sich „ein deutlich mit dem Ausmaß an regionaler Deprivation des Wohnkreises stetig zunehmendes Risiko für eine Hypertonie“.
Wie Prof. Dr. Bernd Sanner, Wuppertal, Kongresspräsident des 46. Deutschen Hypertonie Kongresses, heute auf der Pressekonferenz ausführte, spiegelt sich hier wider, dass Gesundheitsvorsorge auch eine gesellschaftliche Aufgabe sei – und überlegt werden müsse, wie Menschen in sozial prekären Situationen überhaupt mit Präventionsbotschaften erreicht werden können. „Es ist schwierig, Menschen, die akute soziale und ökonomische Probleme haben, die z. B. nicht wissen, wie sie Inflation und hohe Energiekosten bewältigen können, zu einem gesünderen Lebensstil zu bewegen, der sich erst in Jahren und Jahrzehnten im Hinblick auf die Gesundheit auszahlt.“ Dennoch dürfe man nicht müde werden, für die Erkrankung Bluthochdruck zu sensibilisieren. Denn Fakt ist: Die Hälfte aller Schlaganfälle und die Hälfte aller Herzinfarkte gehen auf das Konto von Bluthochdruck: Allein das macht summa summarum fast 30.000 Todesfälle (je die Hälfte von 59.553 Schlaganfalltoten und 12.587 Herzinfarkttoten [3]). Es ist zu vermuten, dass sich der Anteil der Hypertonie-bedingten Todesfälle an den Todesfällen durch alle anderen Herz-Kreislauf-Erkrankungen in der gleichen Größenordnung bewegt. Das heißt im Klartext: Bei 344.000 Todesfällen durch Erkrankungen des Herz-Kreislauf-Systems gehen mindestens 150.000 auf das Konto von Bluthochdruck. Nicht eingerechnet in dieser Zahl sind die Todesfälle durch Nierenerkrankungen oder Demenzen, die Bluthochdruck zuzuschreiben sind.
„Wir müssen dafür sorgen, dass die Menschen, die heute am unteren sozialen Rand der Gesellschaft leben, eine ebenso gute Überlebensprognose haben wie diejenigen, die sozial bessergestellt sind. Um einer durch Bluthochdruck verursachten Übersterblichkeit entgegenzuwirken, ist Information wichtig, wie sie die Deutsche Hochdruckliga bereitstellt.“ Um die Menschen aber überhaupt erst mit den Informationen zu erreichen und auf dieses Thema aufmerksam zu machen, wünscht sich der Experte den Schulterschluss mit Ärztinnen/Ärzten anderer Fachgebiete sowie mit Apothekerinnen/Apothekern.
„Viele junge Menschen haben keine/n Hausärztin/Hausarzt mehr und suchen nur medizinische Hilfe im Krankheitsfall. Die Früherkennung fällt hinten runter. Daher sehen wir beispielsweise bei der Zielgruppe der Frauen Gynäkologinnen/Gynäkologen als wichtige Partner, weil sie die Patientinnen in regelmäßigen Abständen sehen und ein Bewusstsein für die Bedeutung eines gesunden Blutdrucks schaffen können. Ebenso zentral sind Betriebsärztinnen/-ärzte – oder auch Apothekerinnen/Apotheker. Sie können übergewichtige Kunden oder Menschen, die sich häufig Kopfschmerzmedikamente kaufen, ansprechen und für das Thema Bluthochdruck sensibilisieren“, erklärt Professor Sanner.
Die Diagnose des Bluthochdrucks ist dann der wesentliche erste Schritt zu einer angemessenen Behandlung, weshalb es wichtig ist, die Messung korrekt durchzuführen. Die Deutsche Hochdruckliga schult nicht nur Ärztinnen/Ärzte und medizinische Fachkräfte, sondern auch Apothekenpersonal – und Betroffenen gibt sie für die korrekte Durchführung der Heimmessung konkrete Anweisungen an die Hand. „Bevor blutdrucksenkende Medikamente verschrieben werden, sollte zudem eine 24-Stunden-Messung durchgeführt werden, um eine Unter- oder Übertherapie zu vermeiden, so sieht es auch die europäische Leitlinie vor“, betont der Kongresspräsident.
Doch selbst die gesicherte Diagnose und Verschreibung einer blutdrucksenkenden Therapie bedeutet nicht, dass die Einstellung auch klappt. „In Deutschland wissen 80 % der Hypertoniker und Hypertonikerinnen von ihrer Erkrankung und von ihnen wird die Mehrheit (> 85 %) behandelt, aber nur bei der Hälfte der Behandelten liegen die Blutdruckwerte im Zielbereich“, so die ernüchternde Bilanz. Als Grund führt der Wuppertaler Experte mangelnde Therapietreue (Adhärenz) an, die sich dadurch verstärkt, dass Bluthochdruck in der Regel zunächst keine Beschwerden verursacht. Im Gegenteil – oft komme es anfangs in der Eingewöhnungszeit unter blutdrucksenkender Therapie erst zu Symptomen, sodass viele Betroffene die Medikamente, die ihnen vermeintlich nicht guttun, einfach absetzten. „Dass Betroffene das am Ende mit ihrer Gesundheit oder gar ihrem Leben bezahlen, ist schwer zu vermitteln.“ Eine wichtige Herausforderung für Ärztinnen und Ärzte ist es daher, ein Vertrauensverhältnis zu den Betroffenen aufzubauen, das vor eigenmächtigen Kurzschlussreaktionen schützt. „Wenn die Patientinnen und Patienten zu uns kommen, weil die Therapie Nebenwirkungen macht, ist das schon die halbe Miete. Dann haben wir die Chance, die Therapie umzustellen, so lange, bis wir die individuell optimale Therapie gefunden haben, die den Blutdruck effektiv und nebenwirkungsfrei senkt.“ Therapieoptionen gebe es ausreichend. Ein weiterer Faktor, der die Therapietreue ausbremse, sei die Tablettenlast. Bekannt ist, dass die Adhärenz mit der Zahl der Tabletten abnimmt. Die europäische Leitlinie zur Behandlung von Bluthochdruck [4] empfiehlt daher seit 2018 den Einsatz von sogenannten Fixdosiskombinationen, also von „2 in 1“ (oder „3 in 1“)-Blutdrucksenkern. „Diese Option müssen wir stärker nutzen, um das Behandlungsziel zu erreichen“, erklärte der Experte abschließend.
Weitere Informationen zu Bluthochdruck unter https://www.hochdruckliga.de
[1] NCD Risk Factor Collaboration (NCD-RisC). Worldwide trends in hypertension prevalence and progress in treatment and control from 1990 to 2019: a pooled analysis of 1201 population-representative studies with 104 million participants. Lancet. 2021 Sep 11;398(10304):957-980. doi: 10.1016/S0140-6736(21)01330-1. Epub 2021 Aug 24.
[2] Holstiege J, Akmatov MK, Steffen A, Bätzing J. Diagnoseprävalenz der Hypertonie in der vertragsärztlichen Versorgung – aktuelle deutschlandweite Kennzahlen. doi: 10.20364/VA-20.01. https://www.versorgungsatlas.de/fileadmin/ziva_docs/107/VA_20-01_Bericht_Hypertonie_2020-03-03_1.pdf
[3] DESTATIS. Statistisches Bundesamt. Todesursachenstatistik 2017: https://www-genesis.destatis.de/genesis/online?sequenz=tabelleErgebnis&selectionname=23211-0002
[4] Williams B, Mancia G, Spiering W et al. 2018 ESC/ESH Guidelines for the management of arterial hypertension: The Task Force for the management of arterial hypertension of the European Society of Cardiology and the European Society of Hypertension: The Task Force for the management of arterial hypertension of the European Society of Cardiology and the European Society of Hypertension. J Hypertens. 2018 Oct;36(10):1953-2041. doi: 10.1097/HJH.0000000000001940.
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