Am 4. Juli zog das Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte (BfArM) vorsorglich bestimmte Chargen von Valsartan-haltigen Arzneimitteln eines bestimmten chinesischen Wirkstoffherstellers zurück. Diese waren produktionsbedingt verunreinigt und enthielten eine krebserregende Substanz. Fast die Hälfte der blutdrucksenkenden Präparate von verschiedenen Herstellern waren betroffen – und die Patienten waren zu Recht stark verunsichert, u.a. auch, weil allein zehn Tage zwischen Bekanntmachung der Verunreinigung und der Veröffentlichung einer Liste der betroffenen Medikamente lagen. In diesen Tagen erreichten die Deutsche Hochdruckliga zahlreiche besorgte, z.T. auch frustrierte Anfragen von betroffenen Patienten. Sie wussten nicht, wohin sie sich wenden sollten (Arzt oder Apotheker?) oder ob der Medikamentenumtausch Kosten für sie verursacht. Das BfArM informierte nur lückenhaft. Patienten, die Valsartan-haltige Arzneimittel einnehmen, sollten sich mit ihrem Arzt oder Apotheker in Verbindung setzen, so die Aussage. Wichtige Fragen wie „Muss der Arzt mir ein neues Rezept ausstellen oder tauscht die Apotheke einfach so das Medikament aus?“ wurden nicht hinreichend vom BfArM beantwortet.
Die Deutsche Hochdruckliga e.V. DHL® | Deutsche Gesellschaft für Hypertonie und Prävention e.V. bemühte sich um tagesaktuelle Informationen und versuchte, alle Anfragen, die sie erreichten, adäquat zu beantworten. Ein FAQ-Bogen wurde online gestellt, außerdem appellierte sie in mehreren Patienteninformationen, keinesfalls die Bluthochdruckmedikation eigenmächtig abzusetzen.
Für die Ärzte bleibt am Ende aber eines spürbar – ein nachhaltiger Vertrauensverlust der Patienten. Der Valsartan-Rückruf hätte aus Sicht der Deutschen Hochdruckliga schneller, geordneter und transparenter erfolgen müssen. Die Rückrufaktion hätte auch den Rückruf von Medikamenten beim Patienten einschließen und schneller regeln müssen.
Mit dem „Gesetz für mehr Sicherheit in der Arzneimittelversorgung“ (GSAV) möchte das Bundesgesundheitsministerium nun solche Arzneimittelrückrufe verbessern. Es soll beispielsweise sichergestellt werden, dass für die Versicherten künftig die Zuzahlung entfällt, wenn ein Arzneimittel
wegen Qualitätsmängeln zurückgerufen wird. Das ist aus Sicht der Deutschen Hochdruckliga zu begrüßen – ebenso wie die Tatsache, dass der Bund bei Rückrufen mehr Befugnisse erhält und somit zukünftig hoffentlich schneller und transparenter als im Fall Valsartan gehandelt werden kann.
Ein großes Problem aus Sicht der Deutschen Hochdruckliga ist, dass durch die „Casa Valsartan“ eine Assoziation zwischen Blutdrucksenkern und Krebsrisiko aufgemacht wurde. Zwar handelte es sich bei Valsartan um eine einmalige Verunreinigung, der Wirkstoff selbst ist nicht krebserregend, aber ein Zusammenhang „Blutdrucksenker – Krebs“ hat sich nun auch dadurch in den Köpfen festgesetzt, dass eine Assoziationsstudie einen Zusammenhang zwischen ACE-Hemmer und Lungenkrebs nahelegte und zuvor kommuniziert wurde, dass das Diuretikum HCT langfristig eine erhöhte Rate an Hautkrebsfällen nach sich ziehen kann.
Die Hochdruckliga begrüßt, dass Langzeitfolgen von Medikamenten genau beobachtet und transparent kommuniziert werden, allerdings führt die oft verkürzte Wiedergabe der Studienergebnisse in den Medien („xyz ist krebserregend!“) dazu, dass Hochdruckmedikamente in Verruf geraten und Patienten aus Angst vor Krebs einfach die Blutdruckmedikation weglassen – ohne sich darüber im Klaren zu sein, welche gravierenden Konsequenzen das für ihre eigene Gesundheit haben kann.
Die Deutsche Hochdruckliga hat sich in beiden Fällen – HCT und ACE-Hemmer – um eine differenzierte Darstellung bemüht (siehe Pressemeldungen [1, 2]). Oft wurde in Medienberichten aber versäumt, die Langzeitfolgen bzw. das mögliche Krebsrisiko in Relation mit dem Risiko eines Therapieabbruchs zu setzen. Bei Absetzen der Blutdruckmedikamente ist das Risiko, binnen der nächsten 5 Jahre einen schweren Schlaganfall oder einen Herzinfarkt zu erleiden, um ein Vielfaches höher, als nach 10 Jahren an weißem Hautkrebs zu erkranken. Die Assoziation mit Lungenkrebs als Spätfolge ist ohnehin sehr unsicher, da die Studie einige methodische Mängel bzw. Störgrößen aufweist und als Assoziationsstudie keine Ursache-Folge-Beziehung aufzeigen kann [1]. Dennoch haben diese Daten die Patienten stark verunsichert.
„Wichtig ist nun, auch die Notwendigkeit der Bluthochdrucktherapie und die nachgewiesene Wirksamkeit von Blutdrucksenkern in der Vermeidung von schweren Folgeerkrankungen breit zu kommunizieren“, erklärte Prof. Dr. Bernhard K. Krämer, Mannheim, Vorstandsvorsitzender der Deutschen Hochdruckliga. „Bei akuten Gefährdungen durch Medikamente müssen Behörden und Politik schnell, konsequent und konzertiert handeln und die Medikamente zurückrufen. Langzeitfolgen müssen wir ernst nehmen, weitergehend untersuchen und die Patienten transparent über Risiko und Nutzen aufklären – auch im Schulterschluss mit den Medien. Wenn aber die Berichterstattung bei Patienten zu fatalen Kurzschlussreaktionen führt, können wir das nicht gutheißen.“
Quellen
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