Für Mediziner

COVID-19 und Hypertonie

Im Folgenden werden prognostische und therapeutische Aspekte der Beziehung zwischen COVID-19 und Hypertonie diskutiert.

referiert durch W. Zidek, Berlin

Die Beziehungen zwischen COVID-19 und Hypertonie sind seit Beginn der Pandemie häufig diskutiert worden. Im Vordergrund stehen sowohl prognostische als auch therapeutische Aspekte.

Die Hypertonie ist ein Risikofaktor für einen schweren Verlauf der COVID-19-Infektion. Abb. 1 zeigt die Befunde einer Metaanalyse aus 41 Studien mit insgesamt 27.670 Probanden (1). Neben anderen kardiovaskulären Erkrankungen erhöht auch die Hypertonie das Sterblichkeitsrisiko signifikant.

Abb. 1: Odds Ratio der Mortalität im Rahmen einer COVID19-Infektion in Abhängigkeit von kardiovaskulären Vorerkrankungen nach Daten von [1].

Dieser Befund ist auf den ersten Blick überraschend: Die allermeisten Hypertoniker sind ja im Gegensatz etwa zu Patienten mit einer schweren Herzinsuffizienz in ihrem Allgemeinbefinden kaum beeinträchtigt. Die Gründe für das erhöhte Sterblichkeitsrisiko trotz geringer oder nicht vorhandener körperlicher Beeinträchtigung sind möglicherweise:

  • ein höheres Verhältnis von neutrophilen Granulozyten zu Lymphozyten
  • höhere D-Dimer-Spiegel
  • höhere CRP-Spiegel

Diese Veränderungen führen bei der COVID-19-Infektion offenbar auch unabhängig von einer Hypertonie über die nachteiligen Effekte auf die Mikrozirkulation speziell im Bereich der Lungen zu schwereren Verläufen.

Hingegen hat sich die anfängliche Besorgnis, dass eine Behandlung mit RAS-Blockern den Verlauf der Erkrankung ungünstig beeinflussen könnte, nicht bestätigt. Im Gegenteil hat wahrscheinlich die RAS-Blockade eine gewisse protektive Wirkung. Nahezu alle Studien zeigen, dass von einer RAS-Blockade kein nachteiliger Effekt auf den Krankheitsverlauf ausgeht, sondern dass eher eine protektive Wirkung gegenüber schweren Verläufen einer COVID-19-Infektion besteht.

Abb. 2 zeigt die entsprechenden Befunde einer kürzlich erschienenen Metaanalyse, die etwa 2 Millionen Hypertoniker umfasste [2]. Die Abb. zeigt das Risiko für Tod/Intubation sowie für die Notwendigkeit einer stationären Behandlung. Die verschiedenen RAS-Blocker (ACE-Hemmer und Angiotensinblocker) sind jeweils mit Calciumantagonisten verglichen worden. Ferner ist die Analyse getrennt für Monotherapie und Kombinationstherapie durchgeführt worden. Das Risiko sowohl für Tod/Intubation als auch für eine stationäre Behandlung wird durch RAS-Blocker beider Typen signifikant vermindert. Dieser Effekt ist aber erwartungsgemäß bei einer Kombinationstherapie, wo die RAS-Blocker nur eine Komponente darstellen, weniger ausgeprägt, zumindest hinsichtlich des Endpunktes Tod/Intubation.

Abb. 2: Hazard Ratio für Tod/Intubation sowie für eine stationäre Behandlung bei Hypertonikern in Abhängigkeit einer RAS-Blockade entweder als Monotherapie oder als Kombinationstherapie. ACEI = ACE-Hemmer, ARB = Angiotensinblocker, CCB = Calciumantagonisten. Nach Daten von [2].

Wie sind diese Befunde zu erklären? Zunächst hatten theoretische Überlegungen die umgekehrte Schlussfolgerung nahegelegt: Das Enzym ACE2, ein Enzym des Angiotensin-Stoffwechsels, ist gleichzeitig der Ort, wo das Coronavirus an die Zellmembran andockt, um in die Zellen zu gelangen. Sowohl ACE-Hemmer als auch Angiotensinblocker bewirken reaktiv eine Hochregulation dieses Enzyms ACE2. Daraus hatte man die Vermutung abgeleitet, dass mehr Andockstellen für das Virus zur Verfügung stehen und damit die Infektion erleichtert würde.

Die Abb. 3 zeigt, wie sich der tatsächlich nachgewiesene protektive Effekt der RAS-Blockade auf den Verlauf der COVID19-Infektion erklären lässt: Angiotensin II verursacht nachteilige Veränderungen in der Mikrozirkulation. Dies geschieht offenbar nicht nur im peripheren Kreislauf, sondern auch in der Lungenstrombahn. Speziell dies ist im Hinblick auf die COVID-19-Infektion von Interesse. Aus dem Angiotensin I kann aber alternativ zum Angiotensin II auch das Angiotensin 1-7 gebildet werden. Dieses Produkt des Angiotensinstoffwechsels hat protektive Effekte auf die Mikrozirkulation.

Wie die Abb. 3 zeigt, kann das Angiotensin 1-7 entweder direkt aus dem Angiotensin I gebildet werden oder aus dem Angiotensin II. Bei letzterem Schritt spielt das Enzym ACE2 die entscheidende Rolle. Die Hochregulation dieses Enzyms durch die RAS-Blockade führt also zur vermehrten Entstehung des protektiven Angiotensin 1-7. Dies könnte erklären, warum auch die Lungenstrombahn unter der RAS-Blockade bei der COVID19-Infektion geschützt ist.

[1] Khan MMA, Khan MN, Mustagir MG, Rana J, Islam MS, Kabir MI. Effects of underlying morbidities on the occurrence of deaths in COVID-19 patients: A systematic review and meta-analysis..J Glob Health. 2020;10:020503. doi: 10.7189/jogh.10.020503.

[2] Semenzato L, Botton J, Drouin J, Baricault B, Vabre C, Cuenot F, Penso L, Herlemont P, Sbidian E, Weill A, Dray-Spira R, Zureik M. Antihypertensive Drugs and COVID-19 Risk: A Cohort Study of 2 Million Hypertensive Patients. Hypertension. 2021;77:833-842.